Die Indie-Rock-Band Wilco wurde 1994 in Chicago gegründet. Auf dem aktuellen Album „Ode to Joy“ greifen die Musiker die mittlerweile typische Gratwanderung zwischen ruhigen und experimentellen Folkrock-Sounds auf.
Bei dem ruhigen Folkrock-Song „Bright Leaves“ stampft ein stoischer, dumpfer Schlagzeug-Beat als Grundlage, über die ätherische Gitarren-Sounds, Gitarren- und Amp-Geräusche, schwebende Retro-Orgeln und elektronische Sounds einen rätselhaften, aber songdienlich arrangierten Kosmos darstellen. Verwobene Bassfiguren halten das Arrangement gekonnt zusammen, darüber singt Jeff Tweedy fast losgelöst und beiläufig – eine gelungene ‚Herbststimmung‘. „Before Us“ erinnert mit seinem langsamen Rhythmus, dem sparsamen Akustikgitarren-Muster und dem zurückhaltenden Gesang an frühe Werke von Folkrock-Musiker Jonathan Wilson. Dazu verwendet Wilco noch polternde tiefe Trommeln und Schellen, um den unaufdringlichen wie eingängigen Refrain eindrucksvoll zu untermalen – ein Highlight. Das ebenfalls eingängige „Citizens“ ist ähnlich aufgebaut, mit schwerfälligem Dreivierteltakt, dazu angezerrte E-Gitarren-Einzeltöne.
Das leicht melancholische „One And a Half Stars“ stampft gelassen und gradlinig vorwärts – fast wie ein Disco-Beat, der sich mit Folktrommeln der ‚Gründerzeit‘ mischt, dazu getriebene Abschläge der Akustikgitarre und Tweedys zurückhaltender Gesang. „Quiet Amplifier“ ist ähnlich aufgebaut, wenngleich vergleichsweise mit Halftime-Rhythmusschlägen, dazu elektronische Klangexperimente und interessante harmonische Wendungen.
„Everybody Hides“, die zweite Single des Albums, erscheint als Upbeat-Song mit Akustik- und E-Gitarren-Einwürfen. Das eingängige Ergebnis erinnert mit seinem flotten Rhythmus an eine Mischung aus der Beatles-Nummer „The Ballad of John and Yoko“ und The Cures „Close to Me“ – im Folkrock-Flair wiederum an Jonathan Wilson. „White Wooden Cross“ ist mit dünn klingendem Schlagzeug nahezu minimalistisch gehalten; mit klagendem Gesang, Akustikgitarre, darüber E-Gitarren-Einwürfe, deren Stilistik Anklänge an George Harrison beinhaltet. Zusätzlich wird das Arrangement durch Harfe-Kaskaden ergänzt.
Bei „We Were Lucky“ erinnert Tweedys Gesang an John Lennon, der Song steigert sich aus einer gefühlten Prärie-Monotonie heraus mit wilden Gitarren-Licks – ein gelungenes Experiment. „Love is Everywhere (Beware)“, die erste Single, erscheint als verträumte Folkpop-Schunkelnummer mit schlicht schönen Harmonien und elektrisierendem Gitarren-Arpeggio plus Pedal Steel-Licks. Tweedys Stimme mit Leslie-Effekt unterstützt den schwebenden Charakter – ein weiteres Highlight. Das abschließende „An Empty Corner“, das langsamste Stück des Albums, wiegt den Hörer ebenso ’schwebend‘. Insgesamt bieten die zwölf Songs eine angenehm zeitlos wirkende Sammlung gelungenen Songwritings.
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Die atmosphärische Produktion von „Ode to Joy“ passt zur Qualität der Stücke, der 2016er Vorgänger „Schmilco“ wirkt belegter. Bei „Ode to Joy“ erscheint das Schlagzeug oft trocken mittig, der Bass, beispielsweise beim Opener, ist fast plastisch greifbar. Effekte und Gitarren sind im breiten Stereobild interessant verteilt. Nur Jeff Tweedys Stimme hätte von einer fülligeren Aufnahme profitiert. Das Album, von Mastering-Legende Bob Ludwig gemastert, fällt mit weitgehend ausgewogenem Klangbild auf, bis auf den Hochmittenbereich, der eine leicht unangenehme Spitze aufweist.
WILCO – ODE TO JOY
TESTERGEBNIS | Punkte |
Musik | 8 |
Klang | 8 |