Marius Müller-Westernhagen hat die Songs seiner 1978er-Platte „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ neu und folklastig interpretiert – in einem Studio in Woodstock, New York, wie bereits der Titel des Albums preisgibt, und unter anderem mit dem Multi-Instrumentalisten und Produzenten Larry Campbell (unter anderem Musiker bei Bob Dylan).
„Mit 18“ startet mit einer langen Hallfahne auf der ersten Gesangssilbe. Ein langsames Western-Gitarren-Picking, dazu ein tief stampfender Bassdrum-Beat, eine Orgel, Klavier, Schellenkranz, Mandoline, E-Bass … Das klingt erdig und grundsätzlich gut; so als hätten der Produktion Johnny Cashs American-Aufnahmen und Springsteens Seeger-Sessions als Vorlage gedient. Allein der Gesang wirkt angestrengt ‚geknödelt‘, kurzatmig, leiernd-weinerlich – fast, als wolle Westernhagen Peter Maffays Duktus karikieren. Damit gerät der Song – in Westernhagens Originalaufnahme immerhin eine Art funktionierender Rebellen-Deutschrock – letztlich zur Farce. Bei „Zieh dir bloß die Schuhe aus“, mit Akustik-Instrumenten, Orgel und Percussion eine gemächlich dargebotene Ballade, lässt Westernhagen einen Vibratogesang trällern, der – bis auf einzelne Leier-Silben – immerhin weniger aufgesetzt wirkt. Trotzdem scheint der Song eher belanglos. Ebenso das sehr langsame „Willi Wucher“, wo wieder kurzatmig-nölig ‚geknödelt‘ wird.
„Oh, Margarethe“ erscheint vergleichsweise als geheimnisvolle Bluesrock-Ballade mit spannenden Gitarren-Einwürfen. „Alles in den Wind“ klingt magisch-langsam, mit Akustikgitarren-Picking, Bassdrum-Rhythmus und Akkordeon. Nur der Gesang scheint fast in Tränen auszubrechen, drängt Gefühle auf, statt die triste Trinker-Lyrik für sich wirken zu lassen. Bei „Dicke“ klingt der Sänger wie ein zittriger Theater-Charakter, was die Kraft des bissigen Textes verpuffen lässt. „Grüß mir die Genossen“ klingt dann mehr nach dem typisch aufgesetztem Kratzen früherer Tage. „Johnny W.“ schließt die zehn Songs mit für Westernhagen übertrieben tiefem Gesang, als wollte er Johnny Cashs Timbre erreichen.
Bei den 1978er-Aufnahmen sang Westernhagen zwar mit gewohnt dünner Stimme, auch teilweise mit aufgesetztem Kratzen – im damaligen, halb-rebellischen Kontext und mit den frechen Texten („Mit 18“) funktioniert das Ergebnis als Bluesrock im Allgemeinen und gelungene Hommage an die Rolling Stones im Speziellen. Sein kurzatmiger, leiernd-weinerlicher Gesang ist jedoch ziemlich gewöhnungsbedürftig. Die Musiker spielen indes so routiniert wie hochklassig, durch den Gesang gerät das Ergebnis jedoch zu einem seltsamen Maskenball. Ein ähnliches Bild vermittelte Westernhagen bereits mit seinem 2009er-Album „Williamsburg“, wo amerikanische Session-Musiker (darunter auch bereits Larry Campbell) ihn mit Americana-Rock-Sound unterlegten – allerdings leider ebenfalls keine Einheit mit seiner Stimme entstand. Dort klang Westernhagens Gesang allerdings etwas gefälliger.
Klanglich hingegen erweist sich die neue Platte wiederum als überaus solide, mit besonders räumlicher Bassdrum und weiten „Prairie-Sounds“. Die Stücke – allesamt Westernhagen-Klassiker – funktionieren in ihrer Stilistik. Allerdings sei hier jedem unbedingt auch der Griff zu den ursprünglichen Aufnahmen empfohlen, auch wenn diese klanglich sehr bassarm produziert sind.
WESTERNHAGEN – DAS PFEFFERMINZ-EXPERIMENT (WOODSTOCK-RECORDINGS VOL. 1)
TESTERGEBNIS | Punkte |
Musik | 4 |
Klang | 7 |