Das schottische Quartett Travis veröffentlichte 2001 mit „The Invisible Band“ ihr drittes Album. Als Singles wurden „Sing“, „Side“ und „Flowers In The Window“ ausgekoppelt – allesamt symptomatisch für den ruhigen Midtempo-Stil der Band zwischen tiefgründigem, gutgelauntem Pop/Rock mit einem Hauch Melancholie. Zum 20-jährigen Jubiläum wurde nun eine Remastered-Version veröffentlicht. Für den Review wurde uns die hochauflösende Variante in 96 kHz von highresaudio.com zur Verfügung gestellt.
Zeitlose Song-Ideen
Das Album beginnt mit dem zunächst unscheinbaren „Sing“, einem gelassenen Midtempo-Pop-Song, der sich mit dezenten Banjo-Licks und unaufdringlicher Gesangslinie langsam in den Gehörgang schraubt. Gemeinsam mit Produzent Nigel Godrich setzte die Band auf einen Breitwand-Sound, unterstützt durch Synthesizer und Sound-Effekte, was bereits hier angedeutet wird. „Dear Diary“ beginnt als verschlafene Ballade, die gegen Mitte an Komplexität gewinnt und schließlich den Hörer umschmeichelt. „Side“, eine weitere behagliche Midtempo-Nummer, lässt mehr Moll-Anklänge walten, und verhilft gewohnten Akkordfolgen dank interessanter Rhythmik und Melodie-Umspielungen zu neuen Reizen – ein Höhepunkt der Band. Synthesizer und Echo-Effekte breiten einen wohligen Teppich aus. Textlich greift das Stück den Kreislauf des Lebens (samt Neid auf andere und dem „Habenwollen“-Faktor) auf hohem Niveau auf. Nicht minder spannend: „Pipe Dreams“ verbindet Akustikgitarre, verhallte Pianotöne und melancholischen Gesang, eingebettet in einen leise und behäbig marschierenden Beat. Das flink-fröhliche „Flowers In The Window“ kommt im leichten Retro-Gewand daher, das aufgehende Klangbild im Refrain weckt Erinnerungen an Produzent Phil Spector. Die unverbrauchte wie eingängige Komposition ist ebenfalls ein Anspieltipp.
Gut ausgearbeitete Arrangements im Britpop-Gewand
„The Cage“ klingt mit Akustikgitarren und Klangeffekten einladend und leichtfüßig nach einem Sommermorgen. Die Ballade „Safe“ macht einen weit verhallten, fast sparsam instrumentierten Raum auf – ein solider, nicht uninteressanter Song, der lediglich im Licht der restlichen Nummern etwas verblasst. „Follow The Light“ klingt nach gutgelauntem Britpop, der hängenbleibt – ein weiterer Anspieltipp. „Afterglow“ fällt ähnlich in den Alternative-Britpop-Bereich, mit atmosphärischen Klanglandschaften. „Last Train“ bietet eine geheimnisvolle, leise Midtempo-Nummer, die sich in ihrer Intensität steigert. Das akustisch beginnende „Indefinitely“ klingt im ersten Moment behäbig-gelangweilt, die Produktion nimmt sich aber wie schon bei „Dear Diary“ die Zeit für eine Spannungsaufbau, der sich auszahlt – in dem Fall mit spannenden Glocken-Sounds und verhalltem Klangbild. Das entspricht praktisch der angenehm verschlafenen Stimmung eines verregneten Samstagvormittag. Mit „The Humpty Dumpty Love Song“ schließt scheinbar ein angerauter Pop/Rock-Song das Album: Das Stück ist zunächst mit dürren E-Drums untermalt, über denen sich schließlich eine fantastische Ballade mit weitschweifenden Synthesizer-Klängen entfaltet. Ein Schmankerl: E-Drums und echtes Schlagzeug liegen komplett links im Mix, rechts ist der E-Gitarrenteppich gehalten. Das Ergebnis funktioniert durchaus, wirkt interessant. Das Album war das bislang erfolgreichste der Band – das Material entfaltet größtenteils auch nach 20 Jahren ungebrochenen Reiz und zählt teilweise zu den „Evergreens“ der Band.
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Produktion im 2000er „Lautheits-Zeitgeist“
Was hat sich klanglich getan? Die ursprüngliche Veröffentlichung klingt, sehr leise abgespielt, hervorragend dicht und stimmig. Der Eindruck relativiert sich bei lauterem Hören allerdings umgehend: Der „Lautheitskrieg“ war 2001 bereits in vollem Gange, die dichte Komprimierung droht die sphärischen Arrangements unnötig gegen die Wand zu fahren. Eine leichte Präsenzspitze im Höhenbereich macht das Hörerlebnis latent unangenehm, auch die Bässe erscheinen nicht richtig definiert und spritzig. Leider hat die neu gemasterte Veröffentlichung nicht wirklich Verbesserungen erbracht: Wenn überhaupt, klingt das Album minimal lauter und verdichteter, im Tiefmittenbereich befindet sich eine Anhebung, die in der höheren Auflösung auch gut herauskommt und den Bass präsenter, aber nicht definierter macht. Der Präsenzbereich wurde zudem etwas verschoben: Die raschelnden Akustikgitarren in „Sing“, „Side“ oder „Pipe Dreams“ klingen eine Prise scharfkantiger, Hi-Hats und Gesang „pieken“ etwas härter, während die Hi-Hats gleichzeitig verwaschener erscheinen. Balladen wie „Dear Diary“ oder „The Humpty Dumpty Love Song“ tönen im erneuerten Gewand insgesamt etwas unangenehmer. Die Produktion selbst bietet mit ihren hochwertigen Halleffekten und einer eigentlich schönen Klangbühne viel Potenzial für hervorragenden Klang. Möglicherweise sind die ursprünglichen Abmischungen aber bereits derart komprimiert, dass beim Remastering kein Spielraum für eine breiter aufgefächerte Dynamik bestand? Das bleibt Spekulation – die zusätzlich wahrgenommene Verdichtung der Tiefmitten sowie den verschobenen Höhen-Peak hätte es allerdings trotzdem nicht gebraucht. Leise abgespielt, lässt sich das Album aufgrund der hervorragenden Grundproduktion immer noch gut hören, beim bewussten Hören klingt das ursprüngliche Mastering jedoch eine Kleinigkeit „runder“ und angenehmer.
TRAVIS – THE INVISIBLE BAND
TESTERGEBNIS | Punkte |
Musik | 10 |
Klang | 7 |