Tom Jones, inzwischen 81 Jahre alt, hat mit „Surrounded By Time“ sein 41.Studioalbum veröffentlicht. Zusammen mit dem Produzenten Ethan Jones sowie seinem Sohn Mark Woodward nahm der walisische Sänger sein viertes Cover-Album auf, unter anderem mit Stücken von Bob Dylan, Cat Stevens oder Tony Joe White.
Dezente Elektro-Folkpop-Cover
Der erste Song, „I Won’t Crumble With You If You Fall”, stammt von der Künstlerin Bernice Johnson Reagon. Im Original ein mehrstimmiger, meditativer A-Cappella-Gospel, setzt Tom Jones auf dezente, atmosphärische Orgel- und Synthesizer-Untermalung, dazu verhallten Solo-Gesang. Das übersetzt die Wirkung des Stücks noch mehr in Richtung Trauerballade, ohne den Aspekt der Hoffnung zu vernachlässigen. Jones klingt dabei trotz seines fortgeschrittenen Alters ausdrucksstark, er singt gewohnt kräftig und intensiv. Nur ein leichtes Kratzen im Timbre und etwas gesteigert-kaschierendes Vibrato deuten minimal das Altern an. „The Windmills Of Your Mind“, eine Popnummer aus den späten 1960er Jahren, wurde beispielsweise von Dusty Springfield, Neil Diamond oder Petula Clark interpretiert. Auch hier betont Jones‘ Interpretation den „Moll-Charakter“ des Stücks, der Gesang ist erneut in dunklen Hall getaucht. Darunter „lauert“ ein komplexes Elektropop-Arrangement, mit modern-abstrakten Synthie-Streichern und pulsierenden Lead-Sound-Texturen, die Dissonanzen andeuten. Lediglich die geschäftige elektronische Percussion wirkt mitunter irritierend. Im grundtönigen „Pop Star“ – ursprünglich von Cat Stevens – lotet Tom Jones dann seinen gewohnt großen Dynamikumfang aus, phrasiert rhythmisch akzentuiert auf den Punkt und mit gezielter Betonung einzelner Wörter (ähnlich gut ausgelotet wie bei seinem Hit „Sexbomb“) – hier erscheint der Sänger praktisch in keiner Weise gealtert. Die musikalische Untermalung mit dumpfem Beat und abgehakten Stakkato-Klavier-Sounds hinterlässt hingegen einen abstrakt-befremdlichen Beigeschmack.
Akustik, Rock’n’Roll und Elektro
Das Malvina-Reynolds-Lied „No Hole In My Head“ war ursprünglich ein Folksong; bei Jones wird daraus eine flinke Beat-Pop-Nummer à la Roy Orbison, mit psychedelischen Sitar-Elementen. Das klingt „akustischer“ als die vorangegangenen Songs und läutet stilistisch den zweiten Teil des Albums ein – plätschert allerdings eher belanglos vor sich hin. Spannender: Das Todd-Snyder-Cover „Talking Reality Television Blues“, als düstere Rock’n’Roll-Nummer mit Spoken-Word-Intro, angecrunchter E-Gitarre und Jazzrock-Schlagzeug – das funktioniert und wirft die Ästhetik der Produktion gefühlt in die 1960er Jahre zurück, ein Anspieltipp. Bei „I Won’t Lie“, im Original von Michael Kiwanuka, klingt Jones brüchiger, ganz ohne Hall. Das Arrangement mit Akustikgitarre erinnert an Johnny-Cash-Aufnahmen, dazu geschickt eingewobene Synthesizer-Sounds. Die Schunkelnummer „This Is the Sea“ wurde zuerst von den Waterboys aufgenommen. Im Arrangement bei Tom Jones, mit beherzt geschlagener Akustikgitarre, ausdrucksstarker Hammond-Orgel und mitgehenden Drums, werden Assoziationen an The Band ausgelöst. Der Dylan-Song „One More Cup Of Coffee“ ist musikalisch ähnlich umgesetzt, dezenter gespielt, dazu ein gelungener Lead-Organ-Sound. Tom Jones‘ Version wirkt melancholischer als Dylans, gleichsam mit einem Hauch mehr Pathos. „Ol‘ Mother Earth“ von Tony Joe White setzt das Team als heruntergedimmtes Americana-Blues-Arrangement um, mit leisen Akustikdrums und dunklen Klavier-Akkorden. Bei der Ballade „I’m Growing Old“, von Klavier unterlegt, kommt der Gesang einmal mehr ohne Hall aus – was den Text übers Altwerden deutlich wirken lässt. Im Vergleich zum ergreifenden Original von Bobby Cole fügt Tom Jones‘ Interpretation allerdings keine neue Perspektive hinzu. Das neunminütige „Lazarus Man“ schließt das Dutzend Stücke des Albums, mit einer Reise durch Tod und Wiederauferstehung. Das Gitarren-Ostinato des Originals von Terry Callier wird hier als aufgefächerte Synth-Melodie ausgeführt, darüber E-Piano und E-Gitarren-Sounds sowie „suchende“ Drums. Die Instrumental-Ästhetik erinnert an die Doors, Jones‘ Performance fesselt und lässt ihn nochmal alterslos erscheinen – der Höhepunkt des Albums.
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Solide Produktion, allerdings leicht uneinheitlich
Bereits die “stabile” professionelle Darbietung von Tom Jones sichert einen gelungenen Grundklang. Über das Fundament gelangt das Album leider nicht wirklich hinaus: Die Idee minimalistischer Elektro-Folkpop-Arrangements zu Beginn des Albums erscheint spannend, in der Mischung findet die dunkel verhallte, leicht dünn aufgenommene Stimme von Tom Jones zusammen mit den Elektro-Sounds allerdings zu keiner wirklichen Einheit. Die Computerklänge „schwimmen“ im Panorama und klingen ebenso dünn, statt plastisch und fulminant. Die Bässe verschmieren latent, im Höhenbereich findet oft nur Jones‘ Gesang statt – was die Produktion auf Dauer dumpf erscheinen lässt. Die akustischeren Stücke erweisen sich teils als ähnlich unausgegoren: Die trockene Gesangsstimme bei „I Won’t Lie“ klingt, als wäre sie weit weg. Die Instrumente verlieren sich verwaschen im Panorama, statt als klar definierte Einheit zu verschmelzen. Jene Einheitlichkeit tritt dafür am Schluss auf: Bei „Lazarus Man“ hüllen Instrumente atmosphärisch wie klanglich ein, auch der überzeugende Gesang fügt sich nahtlos ein. Nicht alle der Cover-Versionen gehen auf, dennoch markiert das Album besonders mit seinen Höhepunkten eindrucksvoll die Zeitlosigkeit von Tom Jones.
TOM JONES – SURROUNDED BY TIME
TESTERGEBNIS | Punkte |
Musik | 8 |
Klang | 7 |