Das schwedisch-deutsch-kubanische Trio um den Pianisten Martin Tingvall ist seit der Gründung 2006 zu einer der begehrtesten Jazz-Gruppen in Deutschland aufgestiegen. Die Musiker feierten Erfolge nicht nur in den Jazz-, sondern sogar in den deutschen Popcharts, ergatterten mehrere Jazz-Echos und erspielten sich einen Ruf als herausragende Liveband.
Das neue Album „Cirklar“ ist der sechste Longplayer des Trios und behandelt wiederkehrende, in Zyklen verlaufende Aspekte des Lebens, was die kreisförmigen Wellen auf dem Cover bereits andeuten. „Evighetsmaskinen“, der sanfte Opener des Albums, setzt dieses Konzept gelungen musikalisch um. Mantra-artig wird hier ein und dasselbe Motiv wiederholt, mit jedem Durchlauf kommt ein neuer Aspekt hinzu, bekommt das Thema mehr „Fleisch“. Es gleicht einem Baum, der mit jedem Jahr immer weiter wächst und mehr Jahresringe bekommt.
„Bumerang“ startet stark mit einem treibenden, dabei aber stets fein akzentuierten Schlagzeug. Jürgen Spiegel, der Schlagzeuger des Trios, legt hier eine grandiose Basis für Tingvalls Klavier, welches wellenartig auf- und abbrandet, und den verhalten, aber wunderschön melodisch gespielten Kontrabass Omar Rodriguez Calvos. Am Ende des Stückes steht wieder Spiegel im Mittelpunkt, dessen Solo-Schlagzeug durch einen immer größer werdenden Hallraum plötzlich in die Mitten eines riesigen Gewölbes zu fahren scheint, bevor es nach einem heftigen Wirbel verklingt.
Die nordische Melancholie, die viele Stücke des Trios in der Vergangenheit prägte, ist auf „Cirklar“ auch zu hören, etwa beim elegischen „Bland Molnen“, aber auch euphorische Stücke wie das etwas missverständlich benannte, da überhaupt nicht traurige „Skånsk Blues“ finden sich auf „Cirklar“ und laden zum Tanz.
Im Arrangement bleibt das Trio bescheiden: überbordende Soli gibt es auf „Cirklar“ nicht, die Hauptrolle spielen die Stücke, und die drei perfekt aufeinander eingespielten Musiker geben ihren gleichwertigen Teil dazu. Kompositorisch wird das Kreiskonzept vor allem durch wiederkehrende Elemente, Leitmotive oder gar Refrain-artige Strukturen immer wieder aufgegriffen. Eine konsequente Umsetzung, die im Umkehrschluss manchmal zu geradezu Popmusik-artigen Stücken führt. Die großen Dynamikunterschiede zwischen sehr leisen und aufbrausenden Teilen, die die letzten Tingvall Trio-Alben ausmachten, sind hier nicht mehr in dem Ausmaß gegeben, alles ist ein wenig ebenmäßiger als zuvor. Manchen Jazzhörern könnte das schon fast zu gefällig sein.
Klanglich erreicht „Cirklar“ in der Diskografie des Trios eine neue Dimension an Klarheit und Luftigkeit. Alle Instrumente sind liebevoll und überaus fein aufgelöst aufgenommen. Es scheint jedes einzelne Haar des Bassbogens hörbar zu sein, jedes Knarzen des Kontrabasses beim gezupften Spiel und selbst die feinsten Anschlagsunterschiede in Tingvalls Klavierspiel wurden sehr klar und plastisch eingefangen. Bei den schnelleren Stücken vernimmt man auch mal Tingvalls Stimme, wenn er im Eifer des Gefechtes seine Melodielinien mitsingt. Jürgen Spiegels Schlagzeug, bei dem er wie eh und je nicht nur Becken und Felle, sondern auch gerne Holzrahmen und Ständer zur Klangerzeugung nutzt, klingt teilweise schon wie ein drittes Melodieinstrument, denn die einzelnen Klangfarben sind stets perfekt auf Bass und Klavier abgestimmt und klingen absolut brillant.
Mit seiner einmaligen Mischung aus progressiven Elementen und eingängigen Melodien und den zyklischen Kompositionen macht das Tingvall Tro auf „Cirklar“ mehr denn je Jazz nicht nur für Jazzliebhaber.
BEWERTUNG TINGVALL TRIO – „CIRKLAR“
TESTERGEBNIS | Punkte |
Musik | 8 |
Klang | 9 |