Die Alternative-Country-Band The Jayhawks wurde bereits 1985 in Minnesota gegründet. Mit „XOXO“ erschien nun das elfte Studioalbum der fünfköpfigen Truppe. Zwei Jahre nach „Back Roads and Abandoned Motels“, das weitläufige Abgeschiedenheit und Zeitlosigkeit vermittelte, bezieht sich der aktuelle Albumtitel XOXO auf die gängige Online- und Messenger-Abkürzung, die Zuneigung ausdrückt. Der „moderne“ Titel wird mit dem gemalten Bild einer Frau in akkuratem 1960er-Jahre-Outfit vor einem Plattenspieler konterkariert.
Retro-Country-Rock
„This Forgotten Town“ baut zunächst eine Atmosphäre von ländlicher Melancholie auf, mit Klavier- und Pedal-Steel-Guitar-Einwürfen – das erinnert an frühe Neil-Young-Stücke. Lediglich kratzige, mittig-aggressive Gitarren-Sounds unterlaufen die Wohlfühlatmosphäre. Das flotte „Dogtown Days“ peitscht sich mit angecrunchten Gitarren-Riffs durch die Nachbetrachtung einer vergangenen Beziehung. „Living in a Bubble“ thematisiert mit fast saloon-artigem Piano-Shuffling eingängig die Einteilung der eignen Welt in gefärbte Wahrnehmungsblasen. Statt Bandleader Gary Louris wird die Ballade „Ruby“ von Keyboarderin Karen Grotberg gesungen – zunächst lakonisch anmutend, erweitern schräge Klavierharmonien die Bandbreite; ein vielschichtiger Höhepunkt.
Empathische Country-Folk-Songs teils mit 1960er-Jahre-Ästhetik
Die grundtönige und gleichzeitig sphärische Midtempo-Nummer „Homecoming“ kombiniert Country mit psychedelischen Sound-Elementen à la Leslie-Gitarreneffekt und Kopfstimmen-Einsätzen, der Refrain schafft gelungene Abwechslung. Das schnelle „Society Pages“ erinnert mit seinen moll-lastigen Akkordfolgen und passenden Gesangslinien grob an eine cleane, weitgehend akustische Version der Band Weezer. Im ersten Moment fast unscheinbar, entwickelt sich über die Zeit ein Sog – ein weiterer Höhepunkt. „Illuminate“ ist in der Strophe langsam gehalten – mit den zurückhaltenden Kopfstimmen-Einsätzen greift das Stück 1960er Jahre-Ästhetik auf, öffnet sich allerdings im Refrain. „Bitter Pill“ klingt mit gewohnten Akkorden und Pedal-Steel-Guitar nach typischem Country-Folk, dabei wird die durchwachsene Situation einer Protagonistin erzählt, die sich gegen Widerstände des Alltagslebens durchschlägt; eine gelungene Komposition, die allerdings im geschäftigen Arrangement unterzugehen droht. „Across My Field“, wieder von Keyboarderin Grotberg gesungen, kombiniert Klavier mit getragenen Drums, E-Gitarre, Pedal Steel und Violinen-Einwürfen – daraus entsteht eine wunderschöne Ballade, der Anspieltipp des Albums. Bei „Little Victories“ kommen bluesige, fast gospel-hafte Einflüsse zum Tragen, bevor das Stück schließlich in das doppelte Tempo umbricht – trotz gelungener Harmonien erscheint die Aneinanderreihung der Teile etwas abstrakt. „Down to the Farm“ bietet eine akustische Schunkelnummer im Dreivierteltakt, die vergleichsweise belanglos wirkt. Mit „Looking up Your Number“ schließt ein ruhiges Akustikstück die zwölf Songs. Insgesamt bleibt größtenteils absolut hochwertiges Songwriting. Die zeitlosen Themen um Beziehungen, Fehler und (fast) gescheiterte Existenzen werden weitgehend empathisch reflektiert. So gesehen passt das moderne Album-Kürzel als Ausdruck der Zuneigung gegenüber den Protagonisten.
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Grundsätzlich gelungenes Klangbild
Bei der Produktion wird auf Lautheitskompression verzichtet, die Einzelklänge erscheinen recht voll. Lediglich die Gesangsstimmen erscheinen bei einzelnen Songs seltsam aggressiv produziert – etwa beim Opener „This Forgotten Town“, wo auch das Arrangement im Mix nicht wirklich Laufruhe vermittelt. In „Dogtown Days“ übersteuert der Gesang in den Obertönen ebenfalls unangenehm, dazu zischt die Hi-Hat. Bei „Ruby“ erscheint das Panorama des Klaviers ohne greifbare Phantommitte. Die zweite Hälfte des Albums hingegen klingt ausbalancierter gemischt. Auch wenn hier eine Produktion mit „traditionellerem“ Ansatz die Langlebigkeit und Zeitlosigkeit der Songs besser unterstrichen hätte, lässt sich das Album trotzdem gut durchhören.
The Jayhawks – XOXO
TESTERGEBNIS | Punkte |
Musik | 9 |
Klang | 7 |