The Beatles – Let it be (50th Anniversary Super Deluxe Edition)

Das letzte Album der Beatles, „Let It Be“, erschien 1970 nach der Auflösung der Band: Die Aufnahmen waren größtenteils bereits vor dem Vorgänger „Abbey Road“ abgeschlossen. Neben dem Titelsong sind unter anderem die Hits „Get Back“, „Across The Universe“ und „The Long And Winding Road“ enthalten. Die Sessions hatte der Tontechniker Glyn Johns geleitet, für die Abmischung wurde „Wall of Sound“-Produzent Phil Spector beauftragt (womit jedoch Paul McCartney und George Martin unzufrieden waren). Zwischenzeitlich erschien mit „Let It Be – Naked“ eine „puristischere“ Version, und jetzt – zum 50.Jubiläum des Albums – eine „Super Deluxe Edition“ mit neuer Mischung: Der „2021 Mix“ wurde von George Martins Sohn Giles Martin und Toningenieur Sam Okell teilweise während des Lockdowns durchgeführt. Zuvor wurden zum 50-jährigen Jubiläum von Vorgängeralben ebenfalls neue Abmischungen veröffentlicht. Die „Super Deluxe“-Ausführung von „Let It Be“ enthält neben der neuen Mischung auch die nicht veröffentlichte ursprüngliche Mischung des Albums von Glyn Johns sowie alternative Takes (ebenfalls neu gemischt). Das Set bietet insgesamt 57 Songs.

Selbstverständlich wirkende Song-Klassiker

Über die Musik des damaligen Albums muss eigentlich nichts mehr geschrieben werden, daher nur kurz: „Two Of Us“, eine Komposition mit freundlich-naivem Folk-Charme geht ins Ohr, das langsame, bluesige „Dig A Pony“ bietet mit harmonischen Wendungen interessante Reize. In der Jahrzehnt-Ballade „Across The Universe“ erscheint Lennons Gesang durch einen Leslie-Effekt sphärisch, das Stück ist mit Chor und Streichern unterlegt. Auch „Let It Be“ ist mit Orchester unterfüttert, ebenso wie die Songbook-Klassiker „The Long And Winding Road“. Das schunkelnde „I Me Mine“ hat ebenfalls Reize, das satirische „Maggie Mae“ driftet in leichtfüßigen Folk-Country. Der grundtönige Blues-Rocker „I’ve Got A Feeling” bleibt dezent, aber nachhaltig hängen – und mit „Get Back“ schließt ein bereits im Vorjahr als Single veröffentlichter flotter Shuffle-Rocker die zwölf Songs der „klassischen“ Veröffentlichung.

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Improvisierte Aufnahmebedingungen

Der größte Teil der Aufnahmen entstand in einem improvisierten Studio im Bürogebäude der Beatles-Firma Apple Records in der Londoner Savile Row, was auch den seltsam belegten Klangcharakter des Schlagzeugs oder das klaustrophobisch nach „kleinem Raum“ klingende Klavier bei „Let It Be“ mit erklären mag. Teilweise entstammen einzelne Mitschnitte dem legendären „Rooftop Concert“ 1969, das angestrebte Ziel der Aufnahme-Sessions (hier sei die dreiteilige Dokumentation „The Beatles – Get Back“ von „Herr der Ringe“-Regisseur Peter Jackson empfohlen, die das gesamte Projekt akribisch aufarbeitet und die Ende 2021 beim Streaming-Anbieter DisneyPlus erschien.

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Alte vs. neue Mischung

Der ursprüngliche Mix (zuletzt im Rahmen des 2009 remasterten Beatles-Katalogs veröffentlicht) klingt im positiven Sinne „heimelig“: Die Ästhetik des Grundmaterials erscheint weitgehend stimmig. Etwas Kompression ist wahrnehmbar, Bass und Höhen wurden nicht allzu stark „aufgebrezelt“. Ein prägnantes Bassfundament war bei dem Album allerdings praktisch nicht gegeben: Die Bassdrum klingt dünn, teils liegt McCartneys eigentlich nicht sonderlich fülliger Bass sogar tiefer (etwa bei „I’ve Got A Feeling“). Und der 2021er Mix? Insgesamt wirkt das Album einen Hauch lauter. Wird das ausgeglichen, bleibt folgender Eindruck: Bei „Two Of Us“ etwa wirkt die Bassdrum gestrafft und gekräftigt, sie klingt weniger wie eine gefühlt lose „Obstkiste“. Die Akustikgitarren perlen brillanter, unterhalb der Höhen behalten sie ihren leicht schrulligen Lo-Fi-Charme bei. Das Höhenspektrum der Gitarren (sowie eine Höhenbetonung im Bassdrum-Signal) „nagen“ jedoch leicht am Ohr.

„Across The Universe“ drängt sich mit seinen vielen atmosphärischen Sounds fast unangenehm verdichtet in der neuen Abmischung dem Ohr auf. Die Kompression bei der Akustikgitarre sticht hier unangenehm pumpend im Ergebnis heraus. Bei „I’ve Got A Feeling“ ist das Bassfundament gekräftigt, der E-Bass kommt noch tragender zur Geltung. Gleichzeitig ist die Bassdrum mit ihrem Tiefenimpuls klarer auszumachen. Im Mittenbereich wird die Räumlichkeit betont: Gesänge sind samt neu eingebrachtem Hall räumlicher wahrnehmbar. Auch das Rhodes E-Piano von Billy Preston knarzt kräftiger und hat gleichzeitig mehr Definition, die E-Gitarren sind ebenfalls plastischer greifbar. Lediglich die Snare klingt immer noch dünn und „pappig“. Im Gegensatz zum alten Mix zischt die Hi-Hat unangenehmer.

Die leichte Räumlichkeit in „Dig A Pony“ lässt die Aufnahme nun wie eine charmante Club-Performance erscheinen. Auch hier zischt die Hi-Hat in den Höhen. Bei der Schunkel-Nummer „I Me Mine“ wurden die Signale deutlicher im Panorama verteilt, worunter jedoch die Griffigkeit des Stücks leidet. „The Long And Winding Road” geht mit dem zusätzlichen Fundament atmosphärisch schön auf, der George-Harrison-Song “For You Blue” gewinnt in der neuen Mischung an emotionaler Tiefe. Auch bei „Get Back” funktioniert der neue, etwas kraftvollere Mix recht gut. Generell stört bei den neuen Mischungen allerdings tendenziell der erwähnte Präsenz-Peak und gelegentlich überzeichnende Kompression.

Musikalisch stellt das Zusatzmaterial in weiten Teilen eine interessante Dreingabe für Fans dar. Darüber hinaus begeistert die Energie in „Two Of Us (Take 4)“ – gerade in Verbindung mit der hier gelungenen neuen Mischung. Ansonsten erscheint auch beim Bonusmaterial die neue Abmischung leicht durchwachsen – bei „Get back (Take 19)“ wirken Gesang und Schlagzeug merkwürdig undefiniert im Stereobild. „Don’t Let Me Down“ ist auf dem regulären Album nicht vorhanden, im Bonusmaterial findet sich die normale Single-Fassung im 2021er-Mix. Der klingt leicht unangenehm in den Höhen, pumpende Kompression wird noch deutlicher hervorgehoben. Die nicht veröffentlichte „First Rooftop Performance“ des Stücks ist ebenfalls enthalten – mit dem besonders auf den Punkt gespielten Groove ein Höhepunkt. Ein Highlight ist auch die Single-Version von „Let It Be“, bei der im neuen Mix das Piano zentrierter erscheint. Bei der Hi-Hat ist kaum Schärfe wahrnehmbar, die Toms weisen allerdings fast ähnlich kräftige Bassanteile wie die Bassdrum auf – das ist im ersten Moment gewöhnungsbedürftig. Die Single wurde bereits für die 2015er-Neuveröffentlichung des Albums „1“ neu gemischt – dort sind weniger Höhen, aber auch weniger Bass enthalten. Je nach Geschmack mag die Variante besser gefallen.

Die ursprünglichen, nicht veröffentlichten Glyn-Johns-Mischungen dürften indes für Fans von besonderem Reiz sein: Die atmosphärische Version von „Let It Be“ mit schönem Hall sticht heraus, ähnlich „The Long And Winding Road“ – beides noch ohne Orchester versehen. Hier „zischen“ die Höhen im Mastering nicht. In seiner Fassung des Albums ist „Don’t Let Me Down“ enthalten, das allerdings im Mix gewöhnungsbedürftig breit gezogen klingt, und in der Mitte Bassfundament vermissen lässt.

Das „Super Deluxe Edition“-Set ist in physischer Form in verschiedenen Varianten erhältlich (u.a. mit 5 CDs und einer Blu-Ray). Der „2021 Mix“ des Albums wird auch einzeln als Download angeboten. Eine hochauflösende Variante in 96 kHz ist etwa bei Highresaudio.com erhältlich.

THE BEATLES – LET IT BE (50th Anniversary Super Deluxe Edition)

TESTERGEBNIS Punkte
Musik 10
Klang 8
So testet und bewertet mobilefidelity magazin.

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