Mit dem Neumann NDH 20, als Studio-Kopfhörer konzipiert, aber auch als Werkzeug für die Arbeit unterwegs nutzbar, lässt sich zudem wunderbar dem audiophilen Musikgenuss frönen. Im Test hat uns das Kopfhörer-Debüt klanglich voll und ganz überzeugt.
Neumann, einer der weltweit angesehensten Hersteller hochwertiger Studio-Mikrofone, baut inzwischen schon seit fast zehn Jahren auch sehr erfolgreich Studio-Monitore für höchste Ansprüche. Nun erweitert der Berliner Pro-Audio-Hersteller sein Produktportfolio mit seinem ersten Studio-Kopfhörer, insbesondere vor dem Hintergrund der stetig wachsenden Bedeutung mobilen Arbeitens – auch im Aufnahmebereich.
Mit diesem mehr aufs professionelle Arbeiten denn auf reines Musikhören ausgelegten „Arbeitsgerät“ füllt Neumann zudem eine Nische, die der Mutterkonzern Sennheiser mit seinem Kopfhörer-Portfolio bislang nicht abdeckt. Der geschlossene Over-Ear mit dem Namen NDH 20 fungiert dabei als kompaktes Werkzeug fürs Monitoring, Editing und Mixing im Studio wie unterwegs und ist für 499 Euro erhältlich.
Lieferumfang und erster Eindruck

Dass Neumann bei seiner Kopfhörer-Premiere auch an die tägliche Praxis gedacht hat, wird schon beim Auspacken deutlich: Die äußerst stabile Verpackung aus starkem und robustem Karton, in welcher der NDH 20 geliefert wird, lässt sich auch als Transportbox für unterwegs verwenden. Innen ist sie auf der rechten Seite passgenau auf den Kopfhörer zugeschnitten und mit Schaumstoff ausgeschlagen.
Als Alternative liegt unter dem mit Stoff bezogenen „doppelten Boden“ auf der linken Seite der Box ein Stoffbeutel bereit. Hier sind auch die restlichen Bestandteile des Lieferumfangs verstaut: zwei abnehmbare gummierte Kabel – ein gerades, drei Meter langes und ein von eineinhalb auf drei Meter dehnbares Spiralkabel. Außerdem liegt dem NDH 20 ein Schraubadapter von 3,5 auf 6,3 Millimeter Klinke bei.
Bauweise und Technik des NDH 20

Am Neumann NDH 20 fällt sofort die hochwertige Verarbeitung seiner im positiven Sinne massiv wirkenden Bauteile auf: Ein bisschen retro und trotzdem zeitlos wirken die runden Ohrmuscheln in silberner Stahl-Optik mit den leichten Alu-Treiberabdeckungen und den schwarzen Streifen samt Markenname und Typenbezeichnung. Als Kontrast dazu erscheinen die Innenseiten der Muscheln. Sie verfügen über mit anthrazitfarbenem Stoff bezogene, austauschbare Memory-Schaum-Polster und – typisch Neumann – eine mit orangefarbenem Stoff bespannte Treiberabdeckung.
Die um 90° parallel zum Kopfbügel nach innen drehbaren Muschelaufhängungen sowie die daran anschließenden, zum Bügel hin faltbaren Bügelgelenke mit eingraviertem Neumann-Logo sind jeweils aus hochwertigen anthrazitfarbenen Kunststoff-Elementen gefertigt. Der in acht Stufen verstellbare Kopfbügel aus flexiblem Federstahl ist an den Außenkanten sowie an der Unterseite ebenfalls mit anthrazitfarbenem, teils gummiertem Kunststoff verstärkt und verfügt an der Unterseite zudem über eine weiche Polsterung. Nicht zuletzt akzentuieren sämtliche Verschraubungen den sehr stabilen Eindruck des Kopfhörers. Das abnehmbare Kabel mit vergoldetem 3,5-Millimeter-Klinkenstecker wird einseitig geführt, an der rechten Ohrmuschel mit einem 2,5-Millimeter-Stecker angeschlossen und mittels Bajonettanschluss sicher arretiert.
Um das Klangbild zugunsten einer ausgewogenen, natürlichen Wiedergabe von Mittenresonanzen zu befreien, ersannen die Neumann-Entwickler neuartige 38-Millimeter-Treiber mit extrastarken Neodym-Magneten und einer Leistung von 1.000 mW, die einen maximalen Schalldruck von 114 dB SPL liefern können. Das Ergebnis: hohe Empfindlichkeit bei äußerst geringen Verzerrungen. Dadurch soll der dynamische Kopfhörer Neumann zufolge am Notebook und anderen mobilen Devices genauso gut klingen wie am Kopfhörerverstärker. Darauf werden wir in unserer Klangbeurteilung noch einmal zu sprechen kommen.
Neumanns erster Kopfhörer in der Praxis

In unserem Test verfestigte sich schnell der Eindruck, dass Neumann mit seinem ersten Studio-Kopfhörer eine gelungene Premiere geglückt ist. Der Monitoring-Kopfhörer blendete Außengeräusche hervorragend aus und ließ, etwa verglichen mit unserem neuen Referenz-Over-Ear, Sennheisers Top-Modell HD 820, nur sehr wenig Schall nach außen dringen, was der Arbeit unterwegs zugutekommt.
Dafür ist der Sennheiser im direkten Vergleich wiederum etwas angenehmer zu tragen und wirkt dadurch bei fast exakt gleichem Gewicht (381 Gramm ohne Kabel) noch einen Tick leichter. Den viel schwereren Over-Ear-Kopfhörer Audeze LCD-X (628 Gramm) schlägt der Studio-Kopfhörer von Neumann in Sachen Komfort allein schon aufgrund des geringeren Anpressdrucks auf den Kopf um Längen.
Die dicken Memory-Schaum-Polster des nur 388 Gramm (ohne Kabel) schweren Neumann NDH 20 sorgen dafür, dass sich der Over-Ear-Kopfhörer die Kopfform seines Anwenders praktisch für kurze Zeit „merkt“ (nach deutlich weniger als einer Stunde haben sie ihre Ursprungsform wieder erreicht) und bieten auch auf lange Sicht einen hohen Tragekomfort. Ferner lässt sich der NDH 20 dank seines faltbaren Designs gleich auf zwei unterschiedliche Weisen auf ein kompaktes Transportformat bringen: entweder per Drehung der Ohrmuscheln für den Transport in der Aufbewahrungsbox oder mittels Falten für das Tragen im Stoffbeutel – sehr clever.
Der Klang des Neumann NDH 20

Wie üblich, haben wir den Testkandidaten nach einer angemessenen Zeit des Einbrennens für den Hörtest zunächst an diverse Digital Audio Player (DAP) angeschlossen. Wir betrieben ihn mit dem Calyx M, mit dem Acoustic Research AR-M2 sowie mit dem Pioneer XDP-300R und natürlich auch mit unserem Referenz-DAP, dem iBasso DX200.
Ergebnis: Der NDH 20 klang in Verbindung mit jedem der DAPs erfreulich komplett, lebendig und ausgewogen natürlich. Insbesondere mit dem Calyx M und dem iBasso DX200 zeigte er eine enorme Feinauflösung und ein sehr gutes Impuls- und Dynamikverhalten. Auch in Verbindung mit dem AR-M2 war das Hören sowohl von klassischen als auch von Jazz-Stücken sowie Rock- und Pop-Nummern ein echter Genuss. Absolut beeindruckt hat uns Neumanns Studio-Kopfhörer an unserem Referenz-Setup, bestehend aus dem Digital-Analog-Wandler Mytek Digital 8X192 ADDA und dem Kopfhörerverstärker Violectric HPA V281.
Jetzt konnte sich der Neumann NDH 20 mit den besten geschlossenen Over-Ears – selbst jenseits seiner Preisklasse – messen und legte gegenüber den DAPs nochmal in allen Disziplinen etwas zu. So spielte er auch schwierig reproduzierbare Vokalstimmen äußerst facettenreich und arbeitete feinste Nuancen heraus. Gerade bei Jazzstücken wie Max.Babs „Tricycle“ zeigte der NDH 20 in Sachen Auflösung und Transparenz in den Mitten eine beachtliche Nähe zur Referenz von Sennheiser. Die tiefen Lagen wusste der Testkandidat detailgetreu und akkurat wiederzugeben. So zeigten etwa Kontrabass und Bass Drum in „Tricycle“ Kraft und Präzision, ohne zu dick aufzutragen. Bei Yellos „Oh Yeah“ kamen die tiefen Bässe nochmal deutlich trockener als zum Beispiel beim leicht höhenlastigen beyerdynamic T1.

Die Höhen bildete der Neumann NDH 20 in unserem Test sehr detailreich ab, allerdings fehlte ihm ganz oben herum der duftige Hauch an Leichtigkeit und Air eines HD 820 von Sennheiser. Denn der klang etwa in den hoch gesungenen Chor-Passagen des Nidarosdomens Jentekor bei „Et misericordia“ von Kim André Arnesens MAGNIFICAT-Zyklus einfach noch einen Touch offener und transparenter, spielt aber preislich auch in einer ganz anderen Liga. Im Vergleich zu den jeweils gleich teuren Ultrasone Signature DXP und Hifiman Sundara, so unser Eindruck, hat der Neumann die Nase wiederum leicht vorn, gerade was die Klangneutralität und Auflösungsqualität angeht.
Auch in Sachen Impulstreue zeigte der Neumann NDH 20 seine Klasse. Im Test löste er auch schnell aufeinanderfolgende und unterschiedlich harte Impulse in den Mitten und Höhen – zu finden in Deep Purples „Highway Star“ – sauber und akkurat auf. Dass er auch in der Disziplin Dynamikverhalten Klasse hat, bewies er unter anderem in „Stürmisch bewegt“, dem vierten Satz von Gustav Mahlers 1. Sinfonie in D-Dur, indem er sowohl die leisen Passagen fein auflöste als auch im fortissimo gespielten Ende des Stücks völlig unangestrengt klang.
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Nicht zuletzt spiegelten sich die Qualitäten des dynamischen Over-Ears auch bei der Wiedergabe der Hörbühne wider: So wurden in Mahlers Sinfonie sämtliche Instrumente sehr plastisch dargestellt und waren präzise im Raum zu orten. Und auch im Song „Homeless“ von Paul Simon und Ladysmith Black Mambazo waren alle Stimmen der südafrikanischen A-cappella-Gruppe fein säuberlich rechts und links um den US-Musiker herum angeordnet.
So machte das Musikhören mit Neumanns Kopfhörer-Premiere außerordentlich großen Spaß. Und durch seine vortrefflichen Klangeigenschaften wird der NDH 20 zudem seinem Anspruch gerecht, ein hochwertiges Studio-Werkzeug zu sein, das sich dank seiner tatsächlich herausragenden Schallisolation in beide Richtungen außerdem auch für den Einsatz außerhalb des Studios und in lauten Umgebungen eignet.
Fazit
Der geschlossene Over-Ear Neumann NDH 20 ist der erste Kopfhörer des Berliner Studio-Mikrofon-Spezialisten – und gleich mal eine echte Hausnummer in Sachen Klang, Tragekomfort, Design und Preis/Leistung. Er eignet sich für den professionellen wie audiophilen Einsatz. Und so darf man bereits auf mögliche Fortsetzungen gespannt sein.
STECKBRIEF NEUMANN NDH 20
Gewicht 388 g (ohne Kabel)
Preis 499 €
BAUWEISE/AUSSTATTUNG
Wandlerprinzip dynamisch (38-mm-Treiber mit Neodym-Magneten)
Bauweise geschlossen, Over-Ear
Frequenzgang 5 Hz – 30 kHz
Anschlusskabel Spiralkabel 1,5 – 3,0 m (5′ – 10′), gerades Kabel 3,0 m (10′)
Stecker 3,5 mm (1/8″) Klinkenstecker (gerade)
Adapter Adapter für 6,3 mm (1/4″)
Impedanz 150 Ohm
Besonderheiten faltbar
ZUBEHÖR
2 abnehmbare Kabel (gerade / gewunden), 1 Klinkenadapter (3,5 auf 6,3 mm), Kurzanleitung, Sicherheitshinweise
AUFBEWAHRUNG
Stoffbeutel, Aufbewahrungsbox (Karton, schaumstoffgepolstert)
BEWERTUNG NEUMANN NDH 20
KLANG | Punkte |
Neutralität (2x) | 90 |
Feinzeichnung (2x) | 89 |
Impulsverhalten | 87 |
Räumlichkeit | 83 |
Dynamikverhalten | 88 |
Basstiefe | 87 |
TESTERGEBNIS | |
Klangqualität (50%) | 88 |
Tragekomfort (25%) | 85 |
Verarbeitung (15%) | 89 |
Ausstattung (10%) | 87 |
Testurteil | 87,3 |
Preis-Leistung | sehr gut – überragend |