„Perdida“, das achte Studioalbum der Stone Temple Pilots, die Mitte der 1990er-Jahre besonders erfolgreich waren (unter anderem mit dem Hit „Plush“), wird von ihrer Plattenfirma als das „erste rein akustische“ gepriesen. Ein „MTV Unplugged“-Album hat die US-Alternative/Grunge-Truppe indes bereits früher veröffentlicht. Man darf gespannt sein, was der Akustik-Ansatz musikalisch für wirklich neue Studio-Musik bedeutet und inwiefern sich dies vom früheren Unplugged-‚Wahn‘ unterscheidet – oder auch nicht.
Der ehemalige Sänger der Band, Scott Weiland, verstarb im Jahr 2015, inzwischen haben die Kalifornier Jeff Gutt als Frontmann aufgenommen. „Perdida“ ist nun schon das zweite Album mit Gutt als Sänger.
Eingängiger Americana-Folk/Rock mit Alternative-Einschlag
Der erste Song, „Fare Thee Well“, beginnt als Midtempo-Americana-Ballade mit Akustikgitarre, rollendem Schlagzeug-Rhythmus und eingängigen Harmonien. Das klingt weicher und zugänglicher als die ‚ursprünglichen‘ Stone Temple Pilots und bietet solides Songwriting mit filigranem Arrangement. Jeff Gutts Timbre und Stil ist weicher und zurückhaltender als Weilands, stellenweise erinnert er an Green-Day-Sänger Billie Joe Armstrong. „Rein akustisch“ ist das Album übrigens nicht, was beispielsweise die Slide-E-Gitarre demonstriert – umso besser, dass die Band sich zugunsten der Songs einen Ansatz, aber kein absolutes Dogma auferlegt hat.
„Three Wishes“ erscheint ‚typischer‘ im Sinne des gewohnten Sounds der Stone Temple Pilots, mit ungewohnten Harmonieverläufen, melodisch ausladenden Bassmelodien, die den Bongo-Rhythmus und die fast orientalisch wirkenden Akustikgitarren-Akkordfolgen sinnvoll erweitern. Auch hier findet eine harmonisch wendige Slide-E-Gitarre als ‚Klang-Kaskade‘ statt. Atmosphärisch erinnert das Harmoniespektrum an eine Mischung aus den kanadischen The Tea Party und Soundgarden – ein Anspieltipp.
Ballade mit Flamenco-Touch
Der Titelsong beginnt als ruhige Ballade mit Flamenco-Anleihen, mit Bongos und Shakern unterlegt. Am Ende gesellen sich Streicher hinzu. Ganz kurz, aber stilsicher vor Kitsch-Alarm gehalten, erscheint der Song fast wie ein 1960er-Jahre-Crooner-Klassiker – ein echter Höhepunkt.
Bei „I Don’t Know the Time“ ändert sich die Klanglandschaft: Dumpfes, kurzes Schlagzeug, ebenso dumpfe Flöten-Sounds und ein angedeutetes Psychedelic-Feeling übernehmen die Atmosphäre, unterlegt mit den typisch erweiternden Bass-Melodien von Robert DeLeo. Jeff Gutts Gesang in der Strophe ist absichtlich dumpf gehalten und verhallt, was träumerisch erscheint. Die Nummer erinnert an Songwriter-Folk/Rock in Richtung Jonathan Wilson. „Years“ kommt dann als noch ruhigerer Songwriter-Folk daher. Interessant: Der Track beginnt als Einblendung mit dem dumpfen Schlagzeug, dazu ein zurückhaltendes E-Piano- und Bass-Riff. Auch dieser Titel – später durch ein verhalltes, dumpfes Saxofonsolo ergänzt – lädt zum Träumen ein.
„She’s My Queen“ ist harmonisch wieder mit leicht ‚reibenden‘ Alternative-Harmonien gestaltet, und mit orientalisch wirkender Atmosphäre. Die offenen Akustikgitarren und der hier erneut in Richtung Billie Joe Armstrong anmutende Gesang bieten eine interessante Mischung. „Miles Away“ beginnt wiederum balladesk, mit einem Intro im Telefon-Sound, danach folgt ein Walzer-Rhythmus mit Akustikgitarren und orientalischen Streichern mit toller Melodie – ebenfalls ein Höhepunkt der Platte.
„You Found Yourself while Losing Your Heart“, ein gelungener Midtempo-Song zeigt ebenso die Songwriter-Qualitäten der Band. Das knapp zweiminütige Instrumental „I Once Sat at Your Table“ – mit getragen geschlagener Akustikgitarre und Streicher-Trillern fast freudig epochal gestaltet – unterstreicht die experimentellen Ansätze des Quartetts. Mit „Sunburst“ schließt ebenfalls eine Midtempo-Psychedelic-Folk-Nummer mit kräftigem Schlagzeug, tollem E-Gitarren-Melodie-Riff und Streichern die zehn Songs des Longplayers.
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Stone Temple Pilots überzeugen auf ganzer Linie
„Perdida“, das brandneue Album der Stone Temple Pilots, zeigt im Paket eindrucksvoll, dass auch eine ‚alte‘ Band frische, unerwartete Musik schaffen kann und dabei gleichzeitig aus ihrer eigenen Songwriter-Erfahrung schöpft. Jeff Gutt ist dabei keineswegs lediglich ‚Weiland-Kopie‘, sondern klingt innerhalb der Gruppe selbstverständlich und eigen. Am Ende entsteht ein stimmiges Album, das sich zum Durchhören ideal eignet und mit ungewöhnlichen Arrangements sowie teilweise interessant ‚reibenden‘ Harmonien aufwartet. Was die Klangqualität betrifft, so weiß bereits der erste Akustikgitarren-Schlag positiv zu überraschen: Die Sounds klingen angenehm plastisch und direkt, qualitativ und musikalisch schlüssig produziert, ohne störende Frequenzen oder Kompression. Das transportiert die Musik passend und stimmig.
STONE TEMPLE PILOTS – PERDIDA
TESTERGEBNIS | Punkte |
Musik | 9 |
Klang | 8 |