Der amerikanische Gitarrist Ry Cooder gilt als musikalischer „Atmosphäriker“ und wurde vor allem durch Filmmusiken („Paris, Texas“) und vielseitige Weltmusik-Projekte dem breiteren Publikum bekannt – etwa „Buena Vista Social Club“. Über die Jahrzehnte war er zudem immer wieder als Session-Gitarrist tätig (etwa die Slide-Gitarre beim Stones-Song „Sister Morphine“). Auf dem aktuellen Album „The Prodigal Son“ greift der 71-Jährige Blues-, Gospel- und Folk-Einflüsse auf.
Dabei stehen Songwriter-Erzählungen im Vordergrund, begleitet von rauen Gitarren, Bass, Keyboards und „rumpelnden“ Drums, unterstrichen mit Percussion-Elementen, die an Ölfaß-Klänge erinnern, sowie scheppernden Schellenkränzen. Das betont die rauen Blues-Elemente, die atmosphärisch an den Zeitgeist von Son House, Muddy Waters oder Robert Johnson erinnern, allerdings mit flotteren Tempi.
Das ruhige „Straight Street“ beginnt mit einer Mandoline, mit einem männlichen Gospelchor im Hintergrund – ein schlichter Song, der die positive Atmosphäre inneren Friedens vermittelt, und ein erstes Highlight. Bei „Shrinking Man“ hingegen lamentiert Cooder über die benachteiligte Existenz des Erzählers. Textlich pendelt das Album auch bei den folgenden Stücken zwischen pessimistischen und hoffnungsvollen Erzählungen, setzt gelegentlich auf typische religiöse Anspielungen. Moderner wirkt der Song „Gentrification“, der aktuelle Veränderungen der Großstadt thematisiert. Musikalisch erinnern die melodischen Licks grob an Paul Simons „Graceland“-Zeit – ein weiterer Höhepunkt.
„Everybody Ought To Treat A Stranger Right“ bedient sich einer rauen Dobrogitarre, vertrackterem Rhythmus und Gospelchor – das vermittelt ansteckende Energie. Der Titelsong, eine Midtempo-Erzählung mit rauen Effektschnipseln von Cooders Slide-Gitarre, wird durch einen Lo-Fi-Gospelchor im „Telefon-Sound“ ergänzt. Das erinnert an frühe Gospel-Aufnahmen und an Mobys Sampling-Experimente auf dessen 1999er Album „Play“; ebenso ein „Hinhörer“.
Andere Stücke pendeln zwischen experimentellen Texturen mit Gitarren-Sounds („Nobody’s Fault But Mine“), Gospel-Folk mit Fiddle („You Must Unload“) und Solo-Performances („Jesus And Woody“, das auf Woody Guthrie anspielt). Bei einigen Gospel- und Blues-lastigen Songs wirkt Cooders Gesang seltsam überzeichnet – so, als wolle er Ästhetik und Duktus früher schwarzer Blues-Sänger imitierten. Manche der elf Songs bleiben monoton und bietet wenig „Ungekanntes“, dafür unterhält das Gesamtbild mit Cooders Gitarrenspiel und dem ineinandergreifenden Zusammenspiel der Musiker den Zuhörer.
Die unprätentiösen gemeinsamen Performances sind klanglich passend umgesetzt, mit fülligem Bassfundament und ohne übergezogene Höhen. Die Instrumente bleiben gut ortbar, bei angenehm herausgestellter räumlicher Tiefenstaffelung des Aufnahmeraums. Am Ende steht ein angenehmes Hörerlebnis.
BEWERTUNG RY COODER – THE PRODIGAL SON
TESTERGEBNIS | Punkte |
Musik | 7 |
Klang | 8 |