Der Gitarrist Richard Bennet war ab Beginn der 1970er Jahre Neil Diamonds Sideman für 17 Jahre. Seit Mitte der 1990er stand er musikalisch an der Seite von Mark Knopfler. Dazwischen liegen unzählige Studioaufnahmen und Auftritte einer mittlerweile fünf Jahrzehnte dauernden Laufbahn, mit dem rein instrumentalen „Ballads In Otherness“ erschien nun das fünfte Album seit 2004.
Der Titel scheint im ersten Moment in die Irre zu führen: „Klassische“ Balladen finden sich kaum, stattdessen bietet das Album größtenteils getragene, Midtempo-Nummern. Mit dem scheinbaren Missverständnis räumt Bennett sogleich bei der Beschreibung des Albums auf: Die Bezeichnung „Balladen“ meine er nicht in der aktuellen Bedeutung, sondern im lyrischen Sinn, die Ballade als Songerzählung.
Unangestrengt und doch leidenschaftlich lamentiert „This Side Of The Truth“ über Leben und Erleben, mit einer erzählenden Melodiegitarre, dazu ein fesselnder Refrain. Begleitet wird Bennett ebenso mühelos von ruhigem Schlagzeug und Hammond-Orgel. „Eye For Hire“ mit Hawaii-Gitarre und ungewöhnlichen Harmonien verläuft nicht minder spannend: Im Refrain wird die Melodie durch ein überblasendes Saxofon im Stil der 1950er Jahre abgelöst. Bennett versteht sich dabei nie als Sologitarrist, der vorhandenen Platz auffüllt, sondern als Melodieerzähler. Sein Gitarrenstil – grob zwischen Hank Marvin und einem „kantigeren“ Bill Frisell – klingt gelöster denn je und bringt bedingungslose Laufruhe mit ein.
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Ein weiteres Highlight: Das schmachtende „Pretty Willow“, eine Art Sommerballade mit süßlichen Gitarrenharmonien, grob im Stil von „Moon River“ gehalten – Bennett liefert eine zum Dahinschmelzen schöne Komposition, die mit Besen sanft untermalt wird. „When Yesterday Comes“ klingt mit Konzertgitarre, Klavierakkorden und Streichern, sowie weiblichen Aaah-Gesangseinwürfen fast episch. „Come Summer Sun“ ist ein Song, den Richard Hawley vermutlich gerne geschrieben hätte, mit leichtgängiger Melodie. Das Ergebnis klingt wie eine verbleichende Erinnerung an eine Cabriofahrt im Sommer, mit gleißenden Sonnenstrahlen. „Dauphine Noir“ unterlegt die Melodie mit zarter lateinamerikanischer Rhythmik der 1960er Jahre, dazu eine Oboe. „Autumn Over Hamburg“ soll laut Bennett an die frühere Musikszene der Hansestadt erinnern, eine getragene Erzählung, die sich – mit Streichern untermalt – zwischen Gitarre und Trompete abwechselt. Wirkliche „Ausfälle“ finden sich keine auf dem Album. Auch simplere Nummern wie etwa „Bo-Kay“, das mit seinem Blues-Schema eine gängigere Form bedient, lassen sich trotzdem gut nebenbei hören.
Insgesamt beweist Richard Bennett ein absolut sicheres Gespür für durchkomponierte Melodien, die zum Hinhören einladen. Im Gegensatz zu den Vorgängeralben wirken die Kompositionen noch ruhiger, selbstverständlicher, als wären sie schon immer da gewesen. Einerseits wirken die Songs wie eine Sammlung aus einem Guss, gleichzeitig deckt Bennett bei der hervorragenden, aufwendigen Produktion eine ungeahnte stilistische Bandbreite ab.
Klanglich überzeugt das Album durch dreidimensionale Räumlichkeit, ausgeprägte Klangfülle und Direktheit, ohne störende Kompression oder unangenehme Frequenzbetonungen.
BEWERTUNG RICHARD BENNETT – BALLADS IN OTHERNESS
TESTERGEBNIS | Punkte |
Musik | 8 |
Klang | 8 |