Mit ihrem selbstbetitelten Album veröffentlichen Rammstein nach knapp zehn Jahren Pause ihren siebten Longplayer. Im Vorfeld hatte bereits die Single „Deutschland“ mit dem für die Band üblichen Spiel mit Provokationen für Aufmerksamkeit gesorgt:
Im Trailer des Videoclips, der 2.000 Jahre deutsche Geschichte kritisch beleuchtet, wurde exemplarisch der Holocaust herausgegriffen. Das rief (vorhersehbare und meist vorbehaltlose) Empörung derer hervor, deren Beruf nicht zuletzt darin besteht sich zu empören. Rammstein machte sich den PR-Effekt zunutze, während der anschließend veröffentliche komplette Clip sich deutlich vom Nationalsozialismus distanziert. Und sonst? Auf dem Cover zeigt das Album ein Streichholz – ein Schelm, wer da an „Zündeln“ etwa politischer Parteien denkt…
„Deutschland“ eröffnet das Album mit gewohnt schweren Gitarren-Riffs, darüber ein eingängiges Synth-Riff in Richtung Anne Clark. Textlich setzt Sänger Till Lindemann auf die vertraute Mischung aus Gegensätzen, in der Strophe mit schlagerartigem Pathos („Mein Herz in Flammen“) vorgetragen – ein Highlight. „Radio“ beschreibt die Flucht aus alltäglichen Zwängen durch das Hören des Rundfunkprogramms, was sowohl als Anspielung auf die NS-Zeit („Weltempfänger“) wie auch die ehemalige DDR verstanden werden kann. Melodie und Arrangement – ebenfalls mit verzerrten Akkord-Riffs und Synthesizer-Pulsen gestaltet – erscheinen dabei sehr auf gewollte Eingängigkeit getrimmt, ohne tatsächlich zu wirken.
Das flinke „Zeig Dich“ wirkt verhältnismäßig gradlinig, textlich wird Religion samt Doppelmoral der Kirche angeprangert – ein Thema, das Rammstein bereits 2001 im Song „Hallelujah“ aufgegriffen hatten. Lindemann setzt dabei vorwiegend auf Alliterationen. Im Refrain geht das Stück mit sakraler Opulenz passend auf – ebenfalls ein Hörtipp.
„Ausländer“ thematisiert Sextourismus mit einer Aneinanderreihung sprachlicher Klischees – auch das hat die Band bereits thematisiert; 2009 im Song „Pussy“. Dort wirkten die Wortspiele allerdings unverbrauchter. Die sind bei „Ausländer“ dafür ebenfalls mit eingängiger Musik unterlegt; mit Viertelschlägen der Snare wird der Refrain dabei förmlich in die Ohren ‚geprügelt‘, gepaart mit interessantem Fanfaren-Synthesizer. „Sex“, ähnlich eingängig, wirkt fast zurückhaltend langsam und erinnert musikalisch an Marilyn Manson – allerdings mutet die vermeintliche Provokation („Ich schau dir tiefer ins Geschlecht.“) bereits abgenutzt an, der Übergang in den Refrain („Du willst es doch auch!“) holprig und allzu bemüht.
„Puppe“ erweist sich vergleichsweise als Schlagerballade, bei der ein Industrial-Dub-Refrain einsetzt, nur aus Schlagzeug und Gesang bestehend – eine ungewöhnliche Mischung. „Diamant“, mit gut zweieinhalb Minuten das kürzeste Stück des Albums, geht ebenso in Richtung Schlagerballade, mit streicherartigen, teils verzerrten Klängen. Nur Lindemanns fast zarter Gesang bewegt sich gefährlich nah an der Persiflage. „Was ich liebe“ setzt wiederum auf das Oxymoron als Stilmittel; alles, was ist, ist gleichzeitig nicht – oder darf nicht sein. Musikalisch bleibt das Stück vergleichsweise farblos.
„Weit weg“ beschreibt das Verlangen eines Voyeurs, umgesetzt mit ungewöhnlichem Melodieverlauf und ebenfalls interessanten Effekt-Synthesizern. „Tattoo“ wiederum prescht mit schnellem Snare-Rhythmus voran, abgelöst durch Double-Bassdrum-Gewitter. Hier werden Klischee-Sprichwörter („Zeig mir deins, ich zeig dir meins.“) aneinandergereiht, teilweise verdreht – so wirklich will das nicht zünden. „Hallomann“ beschließt die elf Songs, Lindemann singt dabei als Ich-Erzähler von einem pädophilen Entführer, der ein kleines Mädchen im Auto mitnimmt. Abgesehen von der beklemmenden Thematik bleibt das Stück musikalische Midtempo-Routine.
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Was bleibt? Lyrisch war Till Lindemanns Markenzeichen schon immer die gelungene Verdichtung von Gegensätzen, die beim Hörer Bilder evozieren. Das Spiel mit erwartbaren Gegensätzen, das vorwiegend auf die Stilmittel Oxymoron und Alliteration setzt, nutzt sich allerdings ab. Und so erscheinen die Songs, wie schon beim Vorgängeralbum „Liebe ist für alle da“, vereinzelt als Pflichtaufgabe, um Erwartungen der Fans zu erfüllen. Gleichzeitig bietet die Musik Akkordabgänge, die typisch nach Rammstein und doch noch nicht verbraucht klingen.
Klanglich bleibt das Album, wie auch sein Vorgänger, durchwachsen: ‚Alarm‘ und Energie wird eher simuliert, als diese klanglich zu untermauern; statt wirklichen Tiefbässen sind lediglich obere Bässe angehoben, was auf Ghettoblastern oder Smartphones kraftvoll erscheint, bei guten Abhören allerdings als ‚Muskelspiel‘ entlarvt wird, dem tatsächliche Substanz fehlt. Beim Schlagzeug fehlen beispielsweise Bass-Impulse der Bassdrum oder auch der Snare, stattdessen sind starke Hüllkurvenverbiegungen durch Kompression wahrnehmbar, was die Energie verpuffen lässt.
Lindemanns Gesang klingt zweidimensional und ohne Fundament, die Gitarren sind hintergründig gemischt – statt brachialer Klanggewalt klingt das Ergebnis eher dünn und mittig. Teilweise ist der Mix fast mono gehalten, umgekehrt verlaufen etwa die Synthesizer-Pulse in „Radio“ halb außerphasig im Stereobild, was irritiert – zu wenig, um gewollt zu wirken, zu viel, um kontrolliert zu erscheinen. Bei „Hallomann“ wirken die Gitarren merkwürdig im Stereobild. Schade: Die lieblos klingende Produktion reduziert das Potenzial der Rammstein-Klangwelt.
BEWERTUNG RAMMSTEIN – RAMMSTEIN
TESTERGEBNIS | Punkte |
Musik | 7 |
Klang | 6 |
Ganz cool ich bin Rammstein-Fan, bringt mehr von Rammstein