Austrian Audio ist ein neuer Player in der Kopfhörer-Szene, und doch hat das junge österreichische Unternehmen kumuliert bereits über 350 Jahre Erfahrung und Know-how im Bereich der Kopfhörer-Entwicklung. Mit dem Austrian Audio Hi-X55 kommt nun das erste Over-Ear-Modell auf den Markt. Wie kann es sich gegen die Mitbewerber behaupten?
Hinter Austrian Audio verbirgt sich ein Wiener Start-up aus ehemaligen AKG-Mitarbeitern. Der Konzern hatte die Herstellung eigener Produkte in den letzten beiden Jahrzehnten zunehmend ins Ausland verlagert. 2017 wurde das Wiener Hauptwerk mit seinen 130 Mitarbeitern vom Mutterkonzern Harman respektive Samsung geschlossen. 30 ehemalige Entwickler und Konstrukteure schlossen sich daraufhin zu Austrian Audio zusammen, um nach alter Tradition wieder Kopfhörer und Mikrofone “Made in Austria” herzustellen.
Bei den Mikrofonen ist das im letzten Jahr mit der Vorstellung der Modelle OC18 und OC818 bereits geglückt. So sorgten beide in der Fachpresse für Furore, und so konnte sich die junge Firma direkt in der Top-Liga etablieren. Nun haben auch die zwei angekündigten Kopfhörermodelle Serienreife erlangt: Der hier getestete Over-Ear-Kopfhörer Austrian Audio Hi-X55 macht den Anfang und ist bereits lieferbar, zum Preis von knapp 300 Euro. Der On-Ear Hi-X50 kommt in den nächsten Wochen. Beiden Hörern liegt eine identische Treibertechnologie zugrunde: innovative Treiber auf Basis der hauseigenen “Hi-Excursion (Hi-X)”-Technologie.
Lieferumfang und erster Eindruck
Geliefert wird der Austrian Audio Hi-X55 in einer schicken rot-schwarzen Box, die mit einem Klettband zusammengehalten wird. Im Innern befinden sich der Kopfhörer, ein drei Meter langes Audiokabel inklusive 6,3-Millimeter-Adapter und ein schwarzer Stoffbeutel. Das Design des Hörers ist ansprechend und der erste haptische Eindruck überzeugt auf ganzer Linie. Die Verarbeitung des Austrian Audio Hi-X55 ist absolut hochwertig, alle wichtigen Elemente sind aus Metall gefertigt. Das macht den Hörer ausgesprochen robust und man dürfte lange seine Freude damit haben. Nichts daran wirkt billig, im Gegenteil: Der Verarbeitungsqualität eines Neumann NDH 20 steht er beispielsweise in nichts nach.

Das drei Meter lange Kabel ist ebenfalls von sehr guter Qualität, fällt leicht und vertwistet sich nicht. Die Zugentlastung ist gut gelöst und der vergoldete 6,3-Millimeter-Adapter-Stecker ist kompatibel zum vertrauten AKG-Gewindeformat. Ein 2,5 Millimeter großer Stecker am anderen Ende des Kabels dient dem Anschluss am Kopfhörer. Das Klettband der Umverpackung lässt sich übrigens in einzelne Kabelbinder zerteilen, um Kabelsalat vorzubeugen – sehr clever.
Bauweise und Technik des Austrian Audio Hi-X55
Der Austrian Audio Hi-X55 ist ein Kopfhörer in geschlossener Bauweise. Das heißt, es sollte einerseits wenig Schall von außen zum Ohr und auch wenig Musik vom Kopfhörer an die Außenwelt gelangen. Um hier die bestmögliche Dämpfung zu erreichen, wurde die Ohrschale doppelwandig aufgebaut und ein effektiv abschirmender Memory Foam für die Ohrpolster verwendet.

Die von Grund auf neu entwickelten Hi-X-Treiber haben einen Durchmesser von 44 Millimetern und liefern laut CEO Martin Seidl das stärkste Magnetfeld ihrer Klasse – in etwa vergleichbar mit jenem des deutlich teureren Beyerdynamic T1. Das Treiberdesign wurde übrigens von jenem Entwickler entworfen, der die Ringmagnetsysteme für die AKG-Referenzkopfhörer K812 und K872 beigesteuert hat. Im Zusammenspiel mit einer kupferummantelten Aluminium-Schwingspule konnte man das Gewicht der bewegten Massen derart reduzieren, dass deutlich schnellere Bewegungs- und Richtungsänderungen der Membran möglich sind. Das soll bei Transienten, Pegelspitzen und im Tiefbassbereich für hohe Präzision sorgen. Durch einen “L”- beziehungsweise “R”-Aufdruck im Innern der Schaumnetzscheibe wird angezeigt, wie man den Kopfhörer aufsetzten soll. Das Kabel wird einseitig an der linken Ohrschale befestigt und lässt sich durch einen Drehmechanismus verriegeln. Am breit ausgeführten, stabilen Kopfbügel ist eine weiche Memory-Foam-Polsterung angebracht, die sich dank der Verwendung von Klettverschluss leicht austauschen lässt.

Mein Testmodell hat übrigens die Seriennummer 1027 und ist laut Hersteller der 27. Kopfhörer, der in Wien hergestellt wurde. Die Vergabe von Seriennummern ist bei Kopfhörern keinesfalls selbstverständlich und für den Konsumenten ein Zeichen von Wertschätzung des Herstellers den eigenen Produkten gegenüber. Damit lässt sich noch nach Jahren der Ursprung des Hörers nachverfolgen und eventuelle Reparaturen lassen sich dokumentieren. Der Austrian Audio Hi-X55 ist also kein Gerät “von der Stange”, sondern wurde mit großer Sorgfalt in Handarbeit gefertigt.
Der Hi-X55 in der Praxis
Als ich den Austrian Audio Hi-X55 zum ersten Mal aufsetzte, fühlte es sich fast so an, als hätte ich es hierbei mit einem mit Active Noise Cancelling (ANC) ausgestatteten Kopfhörer zu tun. Der Memory Foam saugt sich förmlich um die Ohren an, und die Abschottung nach außen ist exzellent gelungen. Ich habe bisher noch keine bessere Abschirmung bei einem professionellen Kopfhörer erlebt. Schlagzeuger, Studiomusiker und Tonleute am Filmset werden ihn allein schon deswegen lieben. Auch für den mobilen Musikgenuss, etwa in der U-Bahn, ist der Austrian Audio Hi-X55 damit bestens geeignet.

Weiterhin ist der hier getestete Over-Ear-Kopfhörer sehr komfortabel zu tragen. Sein leichtes Gewicht und die Kopfbügel-Polsterung tragen dazu ebenso bei, wie der gut ausbalancierte Anpressdruck. Ich selbst habe einen recht großen Kopf und es kommt oft vor, dass dadurch entweder der Druck zu stark ist, oder sich die Kopfhörer nicht genügend weit öffnen lassen, um meine Ohren zu umschließen. Der Austrian Audio Hi-X55 lässt sich an jeder Seite um 3 Zentimeter ausfahren und bietet viel Spielraum. Durch die besondere Ausformung der aus Memory Foam bestehenden Ear Pads haben die Ohren sehr viel Platz, nichts drückt oder berührt die Ohren. Daher spürt man den Hörer kaum, wenn man ihn trägt.
Besonders praktisch: Für den Transport kann der Testkandidat dank eines speziellen Klapp- und Rotationsmechanismus außerdem einfach zusammengefaltet werden. Danach nimmt er noch weniger Raum ein als beispielsweise ein Audio Technica ATH M50x.
Der Austrian Audio Hi-X55 im Hörtest
Aber wie klingt er denn nun eigentlich, der erste Kopfhörer von Austrian Audio? Nach einer angemessenen Einbrenndauer testete ich den Austrian Audio Hi-X55 an diversen Preamps, unter anderem von Lake People und RME, sowie mit dem iPhone.

Dabei lieferte der Proband einen äußerst druckvollen und spritzigen Sound mit hoher Dynamik und Auflösung. Transienten wurden sehr exakt wiedergegeben, auch den Bassbereich bildete der Hi-X55 griffig und präzise ab. Im Tiefbassbereich lieferte er etwas mehr Signal als die Mitbewerber NDH 20 von Neumann oder Beyerdynamic T1, aber es wirkte trotzdem klar und nicht zu überbetont. Die aktuelle Version des Audio Technica ATH-M50x fiel hier im direkten Vergleich aus der Reihe und wummerte „unten rum“ mit verwaschenen Bässen vor sich hin. Mein eigenes, etwas älteres Modell des ATH-M50 lieferte brauchbarere Ergebnisse, trotzdem hatte der Austrian Audio Hi-X55 klar die Nase vorn und spielte in einer anderen Liga, was Klarheit, Auflösung und Tiefenstaffelung betrifft.
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Während mir persönlich die klangliche Abstimmung des Neumann NDH 20 sehr zusagt, wenn es ums reine Musikhören geht, so ist die klangliche Ausrichtung des Austrian Audio Hi-X55 anders geartet: Zwar liefert der Testkandidat mehr Bass, aber weniger Tiefmitten, die den „Neumann-typischen“ Charakter ausmachen. Im Bereich um 5 bis 7 kHz nimmt sich der NDH 20 zurück, während der Austrian-Audio-Erstling diesen Frequenzbereich etwas ausstellt. Das kann je nach Anwendung und persönlichem Musikgeschmack Vor- oder Nachteile mit sich bringen. Die räumliche Abbildung profitiert davon, Delays oder Halleffekte kommen dadurch sehr gut zur Geltung. Auch beschönigt der Austrian Audio Hi-X55 nichts, wenn Musik etwa beim Mastern zu stark komprimiert wurde – hier entblößt der Testkandidat schonungslos alle Artefakte.
Für den reinen Musikgenuss kann die Höhenabstimmung bei bestimmten Stilen wie zum Beispiel Rock, Grunge, et cetera etwas zu viel des Guten sein, da angezerrte Sounds eine leicht scharfe Note bekommen können. Bei elektronischer Musik passt dies wiederum sehr gut. Hier muss jeder individuell entscheiden, wo die klanglichen Präferenzen liegen. Ein Antesten dieses Hörers ist in jedem Fall wärmstens zu empfehlen.
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Fazit
Mit dem Over-Ear-Kopfhörer Austrian Audio Hi-X55 liegt ein eindrucksvolles Debüt vor, das in vielen Punkten Bestnoten einheimsen kann: Klanglich überzeugt er durch hohe Dynamik, sehr gute räumliche Auflösung und Tiefenstaffelung. Die Verarbeitung ist vorbildlich und steht weit teureren Modellen in nichts nach. Auch wurde großer Wert auf Tragekomfort gelegt, sodass stundenlangem Musikgenuss ohne Ermüdungserscheinungen nichts im Wege steht. Beim Thema Abschirmung schneidet der Hörer zudem extrem gut ab. Studiomusiker, FOH- oder Filmton-Ingenieure werden hier ebenso auf ihre Kosten kommen wie jene, die ungestört im Nahverkehr oder Großraumbüro feinaufgelöste Musik in hoher Qualität genießen wollen. Und der aufgerufene Preis ist gemessen am Gebotenen äußerst attraktiv. Alle Achtung!
STECKBRIEF AUSTRIAN AUDIO HI-X55
Gewicht 305 g (ohne Kabel)
Preis 299 €
BAUWEISE/AUSSTATTUNG
Wandlerprinzip 1x dynamischer Treiber mit „High Excursion (Hi-X-)“-Technologie, 44 mm
Bauweise geschlossen, Over-Ear
Frequenzgang 5 Hz – 28 kHz
Anschlusskabel Audiokabel (abnehmbar, gerade, einseitig geführt, 180 cm)
Stecker 3,5 mm (1/8″) Klinkenstecker (gerade, mit Schraubgewinde für Adapter)
Adapter 6,3-Millimeter-Adapter (aufschraubbar)
Impedanz 25 Ohm
Besonderheiten Klapp- und Rotationsmechanismus
ZUBEHÖR
abnehmbares 3,5-mm-Audiokabel; 3,5-mm-auf 6,3-mm-Klinke-Adapter; Stoffbeutel; Quick Start Guide; Qualitätszertifikat
AUFBEWAHRUNG
Stoffbeutel
BEWERTUNG AUSTRIAN AUDIO HI-X55
KLANG | Punkte (von 100) |
Neutralität (2x) | 86 |
Feinzeichnung (2x) | 89 |
Impulsverhalten | 87 |
Räumlichkeit | 86 |
Dynamikverhalten | 88 |
Basstiefe | 88 |
TESTERGEBNIS | |
Klangqualität (50%) | 87 |
Tragekomfort (25%) | 87 |
Verarbeitung (15%) | 89 |
Ausstattung (10%) | 87 |
Testurteil | 87,3 |
Preis-Leistung | überragend |