Neil Young & Promise of the Real – The Visitor

Untätigkeit vermag man dem heute 72-Jährigen Neil Young auch abseits reger Archiv-Veröffentlichungen beileibe nicht vorzuwerfen, genauso wenig wie politische Gleichgültigkeit: Mit „The Visitor“, zusammen mit der Backing-Band Promise Of The Real eingespielt, reagiert der Musiker auf die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten.

Gleich zu Beginn des Albums konstatiert Young, dass er zwar Kanadier sei, aber den American „Way Of Life“ schätze, mit all seinen Freiheiten, inklusive der Meinungsfreiheit. Gemäß dem Songtitel sei Amerika schließlich „Already Great“, bereits das Paradies, die „helfende Hand“. Er habe versucht, sich in Trump und dessen den „New Deal“ hinein zu versetzen; am Ende bleibt die Erkenntnis, dass er keine Mauer will, keinen Bann, keine faschistischen USA.

Musikalisch klingt das Ergebnis für die getragenen bis Midtempo-Nummern erstaunlich „tight“, nicht zuletzt dank der Musiker von Promise Of The Real, die – im Gegensatz zu Youngs Stammband Crazy Horse – mehr auf den Punkt spielen. Neil Youngs Stimme selbst wirkt dabei angenehm alterslos. Die Arrangements bestehen aus kräftigen Drums, den typisch Young’schen Fuzz-Gitarren, reichlich Percussion, dazu gelegentlich Piano oder gar Spielzeug-Piano. So bietet etwa „Fly By Night Deal“ unter dem Deckmantel einer eingängigen Melodie eine wütende, schnelle Rezitation des Textes, die wie eine Anklage wirkt. Nach knapp zweieinhalb Minuten ist der Song mit seinem opulenten Arrangement schon wieder vorbei. Das steht symptomatisch für einige der Stücke, die nach einer gelungenen Grundidee eher wie Skizzen wirken, eher wie aus einem Affekt heraus arrangiert, statt ausgearbeitet.

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Die Melodien – etwa auch die ruhigen, folkigen „Almost Always“ und „Change Of Heart“ – klingen teilweise, als hätte man sie von Young bereits ähnlich (und vielschichtiger) gehört. Das achtminütige „Carnival“ bedient sich lateinamerikanischer Harmoniesprünge, samt interessanter Tempiwechsel – eines der Highlights. Daneben findet sich allerdings auch der nahezu klischeehafte, monotone Call-Response-Blues „Diggin‘ A Hole“ sowie mit „Stand Tall“ ebenso fast kitschige wie rituelle Beschwörungsformeln als Widerstand gegen die politischen Entwicklungen. Auch das hymnische, verzerrte und mit Bläsersätzen und Streichern versetzte „Children Of Destiny“ ist eine Mischung aus melodisch-reizvoller Grundidee, alternierend zwischen Rockhymne und Ballade, und (links-)patriotischem Klischee.

Die zehn Songs – abgeschlossen mit dem zehnminütigen, fast stoischen Akustik-Song „Forever“ – stellen spontane Energie und geordnetes Spiel teilweise schablonenhaft wirkende Arrangements gegenüber, die vermutlich von ausgereifterem Songwriting und bedachterer Produktion profitiert hätten. Auch die Texte scheinen eher unmittelbarer Ausdruck eines politischen Gefühls statt poetisch gelungener, beißender Kritik (wie etwa seinerzeit an der Regierung von George Bush Sr. bei „Rockin‘ In The Free World“).

Klanglich erweist sich die Platte als angenehm hörbar mit gut ausgeprägten Tiefmitten, ohne jegliche höhenreiche Spitzen – so, wie man sich eine gelungene Classic-Rock-Platte vorstellen mag. Lediglich die einzelnen Instrumentenklänge verschwimmen etwas im Gesamtergebnis, statt gut wahrnehmbar zu bleiben, was vor allem im direkten Vergleich mit Youngs 2012er Veröffentlichung „Psychedelic Pill“ auffällt.

BEWERTUNG NEIL YOUNG & PROMISE OF THE REAL – THE VISITOR

TESTERGEBNIS Punkte
Musik 6
Klang 7
So testet und bewertet mobilefidelity magazin.

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