Mark Knopfler – Down The Road Wherever

Der frühere Dire-Straits-Frontmann Mark Knopfler legt mit „Down The Road Wherever“ sein neuntes Solo-Album vor. Über die Jahrzehnte erschloss Knopfler akribisch Songwriter-Zwischentöne statt vergleichsweise plakativer Melodien früherer Jahre. In den subtilen Nuancen, bei denen Atmosphäre und Erzählungen im Vordergrund stehen, hat Knopfler eine Meisterschaft errungen.

Wer sich darauf einließ, bekam Songs geboten, die nach ein wenig Einhören hohe Kunst offenbarten, ohne sich allzu schnell abzunutzen. Wer allerdings den Namen Knopfler mit den Dire Straits-typischen vordergründigen Gitarrenmelodien gleichsetzt, dürfte die Soloalben seit Jahren als mäßige Ersatzdroge wahrnehmen.

Das ändert sich auch beim neuen Album nicht, allerdings gewinnen die Songs im Vergleich zum sehr ruhigen Vorgänger „Tracker“ von 2015 unerwartet an Fahrt. Versteckt sich das erste Stück „Trapper Man“ noch hinter gleichmäßigem, fast belanglosem Mid-Tempo-Rock, dessen Eingängigkeit erst nach mehrmaligem Hören auffällt, klingt „Back On The Dance Floor“ denkbar ungewohnt: ein geheimnisvolles Synthie-Windgeräusch, ein Dub-Bass-Lick, verhaltener, gleichzeitig treibender Disco-Rhythmus mit gelungenen weiblichen Backing-Vocals, irgendwo zwischen Steely Dan und J. J. Cale, mit zurückhaltendem Funk-Touch. Melodisch erinnert das Stück entfernt an die Knopfler-Nummer „Terminal Of Tribute To“, im Refrain an den Box-Tops-Klassiker „The Letter“. Die Erzählung – laut Knopfler auf ehemalige Showgrößen bezogen, die im Pub die Selbstüberschätzung gnadenlos ausleben – fällt meisterhaft aus: „We’re going for the major comeback / For the mother lode, the mighty score / We’ll be the toast of every knocked out boogie shack / Now we’re back on the dance floor“. Das muss man erst einmal schreiben – ein Highlight.

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Ebenfalls gelungen: das ruhige „Nobody’s Child“. Es erinnert atmosphärisch an die Alben „The Ragpickers Dream“ oder „Kill To Get Crimson“. Knopflers Kopfstimmen-Einlage im Refrain ist kurz gewöhnungsbedürftig, dafür erweist sich der leicht melancholische Song als umso nachhaltiger. „Just A Boy Away From Home“ mit bluesig-kräftigem Rhythmus und Slide-Gitarre hätte auch gut auf seinem 2004er Album „Shangri-La“ Platz gefunden. Melodisch erinnert der Song an die Knopfler-Nummern „Junkie Doll“ und „Song For Sonny Liston“. Untermalt wird der pflügende Rhythmus von Tupfern einer Brass-Section – ein Novum. Am Ende zitiert er im Text den Titel „You’ll Never Walk Alone“, auf dessen Harmonien die Band spannend überleitet – trotz und wegen der Zitate eine interessante Mischung.

„When You Leave“ stellt als jazzige, melodiöse Liebesballade eines der Highlights dar, mit dem Zeug zum Songbook-Standard, ähnlich „Slow Learner“, bei der Knopfler fast als Crooner über leichten Bar-Jazz mit langsamem Piano-Arrangement und Waldhorn singt.
Die erste Single „Good On You Soon“ pflügt mit gemäßigten Funk-Elementen eher blutarm dahin, wenngleich die Grundmelodie und Knopflers gelungener Sprechgesang-Rhythmus durchaus eingängig wirken.
„Nobody Does That“ bietet staubtrockene Synth-Wah-Licks und rhythmischen Gesang, samt Clavinet-Untermalung, Funk-Drums und zackigen Bläsern. Knopfler bewegt sich hier in Richtung 70er-Jahre-Funk, und das Ergebnis funktioniert. „Drover’s Road“ ist eine epische wie minimalistische Ballade – ein schwermütiger Höhepunkt. „Heavy Up“ kommt mit einer beschwingten Mischung aus Reggae und Latin, allerdings mit unangenehm dünn-drahtigem Sologitarren-Sound. Ein weiterer stilistischer Ausflug: Auf der Deluxe-Version des Albums ist der Song „Rear View Mirror“ als BeBop-Nummer im 1960er-Jahre-Stil produziert.
Der tatsächliche Höhepunkt befindet sich allerdings am Schluss: Das rein akustische „Matchstick Man“ über einen reisenden Musiker, der an Weihnachten einsam nach Hause trampt – von Knopfler allein mit Fingerpicking in Singer-/Songwriter-Manier gespielt –, geht unter die Haut. Das erinnert an Johnny Cashs „American Recordings“, allerdings lässt die Aufnahme an Direktheit zu wünschen übrig.

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Das zieht sich durch das gesamte Album, das für Knopflers Verhältnisse fast demohaft rau, teilweise belegt und belanglos klingt. Hier hat er mit „Shangri-La“ oder „Sailing To Philadelphia“ Maßstäbe gesetzt. Auf „Down The Road Wherever“ klingt der Gesang seltsam dünn und komprimiert, der Gitarren-Sound weit entfernt, als wären die Aufnahmen im Bassfundament beschnitten. Klavier und restliche Instrumente gehen nicht wirklich zusammen. Dadurch wirkt das Ergebnis in seinen skizzenhaften Arrangements manchmal lieblos und gefährlich nah an Fahrstuhlmusik produziert. Das verkauft das gelungene Songmaterial leider unter Wert.

BEWERTUNG MARK KNOPFLER – DOWN THE ROAD WHEREVER

TESTERGEBNIS Punkte
Musik 9
Klang 7
So testet und bewertet mobilefidelity magazin.

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