Madison Cunningham – Who Are You Now

Die 22-jährige kalifornische Singer-Songwriterin Madison Cunningham hat auf einem Sub-Label des Jazz-Klassikers Verve kürzlich ihr Debütalbum „Who Are You Now“ veröffentlicht.

Cunninghams Albumpremiere beginnt im Song „Pin it Down“ gleich mal mit einer erdigen, rauen E-Gitarre im rechten Kanal, minimal verhallt. Ein leicht vertracktes, minimalistisches Fingerpicking-Lick nahe Slide-Ästhetik geht unmittelbar ins Ohr. Dazu setzt ein versetzter, trockener, dumpfer Schlagzeug-Rhythmus ein, samt bedämpfter Tom-Einlagen und Percussion-Einwürfen. Cunninghams angenehm unangestrengter Gesang von liegt leichtfüßig darüber, mit selbstverständlichen Melodieverläufen und präziser Rhythmik, die ihre Erzählungen untermauert. Im leicht vertrackten wie eingängigen Refrain wird in der ungewohnten Selbstverständlichkeit die hohe Qualität des gelieferten Songwritings deutlich. Der Midtempo-Song bewegt sich stilistisch zwischen R&B, Blues und leichtem World-Music-Touch. Das Stück endet passend mit der tiefsten Gitarrennote, raschelnd.

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Das akustischere „Song in My Head“ klingt noch bedämpfter, ruhiger – ein Folkpop-Song, der sich im Refrain öffnet. Dazwischen schlägt eine Hallspirale einzelne Klangfahnen, ein Vibrafon wirft einzelne Noten ein. Der Song, der im Middle-Eight-Part auch unangestrengt gebrochen wird, geht noch direkter ins Ohr, gleichsam ohne sich aufzudrängen – direkt ein zweites Highlight. Die Stimmung erinnert an eine Mischung aus Jonathan Wilson, Feist und Joni Mitchell, mit der Cunningham gerne verglichen wird.

„Something to Believe in“ beginnt als Klavierballade mit Gitarren-Texturen und wunderbar interessanten Harmoniewechseln. Cunningham umschifft dabei elegant jegliche Pop-Kitsch-Klischees. „Trouble Found Me“ startet wiederum mit leicht verhalltem Rim-Click-Snare-Rhythmus sowie abgedämpftem Gitarren-Rhythmus. Der so gelungene wie selbstverständliche Text schwankt zwischen Selbstfindung und dem vermeintlichen Schicksal, das Probleme scheinbar anzieht. „You Give Me the Disease / Now You’re Selling Me the Cure“; das muss man in dieser Einfachheit erst einmal schreiben – ein weiterer Höhepunkt. „Plain Letters“ beginnt beschwingt, mit flottem Gitarren-Lick und einzelnen Wurlitzer-Licks. Im Refrain gewinnt der Song zusätzlich an Fahrt, lädt zum Mitwippen ein und bleibt dabei mit Halleffekten geheimnisvoll – und erneut ein Anspieltipp.

„L.A. Looking Alive“, geshuffelt im Dreivierteltakt, mit Besen gespielt und mit Klavier-Einwürfen garniert, erscheint als zeitloser Songbook-Song. „Dry as Song“ wirkt vergleichsweise experimenteller, mit stoischem Schlagzeugrhythmus und fast meditativem Gitarren-Picking, bevor sich das Stück nach zwei Minuten im Refrain versöhnlich harmonisch öffnet. „Common Language“ erinnert mit den gezogenen Gesangslinien und dem geshuffelten Schlagzeug-Rhythmus entfernt an Travis, harmonisch bleibt Cunningham zwischen Disharmonien und Auflösung. „Bound“ schließt die zehn Stücke mit einem langsamen, grundtönigen wie meditativen Stück, lediglich aus Akustikgitarren und Madison Cunninghams Gesang.

Madison Cunningham - Who Are You Now
Cover: Madison Cunningham – Who Are You Now

Normalerweise ist es müßig, das Alter des Künstlers in Relation zum Album zu stellen, schließlich sollte die Musik für sich stehen und wirken können, ohne dass der Hörer zunächst über Hintergründe unterrichtet werden müsste. Dann würde die Musik schlichtweg nicht ohne Einschränkungen überzeugen. Genau das kann sie aber im Falle von Cunningham, und das ist angesichts ihres geringen Alters umso bemerkenswerter: Die Musik wirkt reif, erwachsen, unprätentiös. Ihr Gesang klingt stellenweise noch etwas mädchenhaft, was der Gesamt-Performance allerdings keinen Abbruch tut. Die Vergleiche mit Joni Mitchell liegen nahe, dabei erscheinen Cunninghams Songs rhythmisch getriebener. Stimmlich erinnert die 22-Jährige entfernt an Feist, welche allerdings stets weniger selbstverständlich wirkt. Die Musik ist ähnlich erfrischend wie ursprünglich Björk, nur ohne deren Theatralik, und mit Experimenten im Mikrokosmos eines fest abgesteckten Blues-/Soul-/Songwriter-/R&B-Rahmens, bei dem am Ende immer der Song und nie die Sensation im Vordergrund steht.

Besonders als Gitarristin erweist sich Cunninghams Stilistik zwischen R&B- und bluesigen, interessant sperrigen Riffs als angenehm unverbraucht und individuell, jenseits von Selbstbeweihräucherung oder Solo-Geltungsdrang. Kurzum: Mit eigenständigem, gesättigtem Sound und songdienlichem, nuanciertem Spiel ist Cunningham eine bemerkenswerte Neuentdeckung. Die Musik lädt bedingungslos zum Hinhören ein. Klanglich wird dies ebenso größtenteils auf hohem Niveau umgesetzt: Bereits der Opener „Pin it Down“ klingt schlicht ‚groß‘, mit schweren Klängen: plastischer Gitarren-Sound, gelungen breites Stereo-Bild, präsente Drums und dreidimensionaler Gesang.

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Das Niveau zieht sich klanglich leider nicht durch alle Songs hindurch: Bei „Song in My Head“ herrscht zu Beginn ein merkwürdiges Stereobild vor, ebenso wie bei „Dry as Song“. Bei „Something to Believe in“ wirkt das Klavier vergleichsweise klein und dünn. Die Drums klingen teilweise nach einer Aufnahme in einem sehr kleinen Raum, mit entsprechenden Erstreflexionen, was die Wirkung etwas schmälert. Bei der Ballade „Like You Do“, ebenfalls mit merkwürdigem Stereobild umgesetzt, erscheinen Streicher steril und ‚ausgetrocknet‘. Bei „Common Language“ klingt das Schlagzeug vergleichsweise dünn, ohne die plastische Greifbarkeit, die noch zu Beginn der Platte herrschte. Beim abschließenden „Bound“ ist der Gesang merkwürdig mittig produziert.

Und dennoch: Cunninghams erster Longplayer erscheint grundsätzlich nicht zeitgemäß, sondern zeitlos umgesetzt, und die ‚gelungen‘ klingenden Songs machen Lust auf mehr. Umso gespannter darf man ihrem nächsten Album entgegenfiebern.

(Das Album wurde für den Test als hochauflösender Download in 96 kHz / 24 Bit von highresaudio.com zur Verfügung gestellt.)

„Who Are You Now“ bei highresaudio.com downloaden

MADISON CUNNINGHAM – WHO ARE YOU NOW

TESTERGEBNIS Punkte
Musik 9
Klang 8
So testet und bewertet mobilefidelity magazin.

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