Das Hamburger Kaiser Quartett – ein Streichquartett bestehend aus zwei Violinen, Viola und Violoncello, mit Fokus auf moderner Musik – hat sein selbstbetiteltes Debütalbum, größtenteils mit Eigenkompositionen, veröffentlicht. Bereits 2015 hatte die Truppe durch die Zusammenarbeit mit Chilly Gonzales auf dem Album „Chambers“ auf sich aufmerksam gemacht. Auch bei dem Folgeprojet „Room 29“ von Chilly Gonzales und Jarvis Cocker waren die vier Musiker dabei, ebenso auf Tour.
Das erste Stück, „Pfingsten“, klingt nach fast herbstlicher Filmmusik; Geigen, Viola und Violoncello verweben sich in stakkatoartigen Arpeggio-Mustern. Laut Pressebegleittext ist der Name des Titels zufällig gewählt. Das Stück entstand ursprünglich aus dem Gedanken heraus, Musik in Richtung Portishead oder Massive Attack zu schreiben, allerdings ohne Beats – schließlich habe es ein „Eigenleben“ entwickelt. Die statische Natur der Melodieverläufe erinnert noch an den Grundgedanken, darüber hinaus entsteht der erwähnte Anklang an Filmmusik. Die Kombination macht „Pfingsten“ leicht hörbar und zugleich interessant.
Mit „Chase“ setzt die Truppe ein Instrumental von Giorgio Moroder aus dem Soundtrack zum Film „Midnight Express“ von 1978 um. Nach einem langsamen, getragenen Intro arrangieren die Musiker den pulsierenden Synth-Rhythmus des Originals mit Pizzicato-Spielweise vom Violoncello sowie Stakkato-Umspielung (Viola) um. Die Geigen legen getragene Töne darüber, die Dynamik schwillt an – hier „verabschiedet“ sich das Stück von der Statik des Originals und gewinnt auf gelungene Weise an Tiefe.
Der Song „Grossraumdisko“ bietet eingängige Melodieverläufe in rhythmisch-zackiger Umsetzung; nahezu passend als Streicher-Untermalung eines Dance-Tracks, mit ausufernd-singenden Melodien. Als grober stilistischer Anhaltspunkt sei die Streicher-Untermalung bei Coldplays „Viva la Vida“ erwähnt. „Grossraumdisko“ erscheint reizvoll, lediglich die Rhythmik wirkt scharf und abrupt. Auch „Etüde“ setzt auf sich wiederholende, kurze Motive, über denen Melodien variiert werden, bevor im Refrain schließlich die Harmonik ausbricht. Das Ergebnis klingt poppig und hat dennoch Tiefgang. Bei „Skate“ leiern die Melodien leicht übereinander her, im Refrain werden scharf abgetrennte rhythmische Akzente gesetzt – die Ästhetik klingt, als wären die Streicher an der Stelle programmiert. „Strophe“ und Refrain bieten, wie auch bei „Freitag“, selbstverständlich erscheinende Gegensätze.
„Stresstest“ klingt melodisch interessant und darüber hinaus, wie es der Titel vermuten lässt: Die gehetzte Rhythmik bleibt allerdings Geschmackssache. Eine zweite Version von „Skate“ beschließt die zwölf Stücke: Der New Yorker Rapper C-Rayz Walz rappt mit mehrfachen Stimmaufnahmen über das Stück. Das funktioniert erstaunlich selbstverständlich, und dadurch wird einmal mehr die poppig-moderne, gelungene Rhythmusstruktur der Kaiser-Quartett-Kompositionen deutlich. Den restlichen instrumentalen Stücken fehlt dank der Streicher-Melodielinien nur vereinzelt Gesang. Hier bleibt der Wunsch nach einem umfangreicheren Arrangement.
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Die Instrumente sind musikalisch passend im Stereobild verteilt. Im Stück „Schramm“ wird das Pizzicato-Spiel klanglich mit überdimensionierter Härte übertragen, das Melodie-Instrument erscheint unangenehm scharf im Mix. Davon abgesehen, klingen die vier Streicher nicht wirklich präsent, füllig oder plastisch ‚greifbar‘, ansonsten ist – trotz Härte oder Tendenz zur Schärfe – das Obertonspektrum leicht bedeckt, mit Fokus auf den Hochmitten. Die Vocals von C-Rayz Walz klingen ebenfalls leicht belegt und ohne Fundament. Insgesamt klingt das Ergebnis noch recht stimmig, sodass der Inhalt gut transportiert wird. Der bietet anspruchsvoll arrangierte, gelungene Musik, die sich (nicht nur) im Herbst wunderbar auf dem Sofa hören lässt.
BEWERTUNG KAISER QUARTETT – KAISER QUARTETT
TESTERGEBNIS | Punkte |
Musik | 7 |
Klang | 6 |