Der 43-jährige Gitarrist und Sänger John Mayer hat sein achtes Album veröffentlicht, das mit dem Titel „Sob Rock“ keinen Hehl aus dem erklärten Inhalt macht: Hier wartet ruhiger Softrock auf seine Hörer, zum Trauern und Schmachten. Seine Plattenfirma Sony Music untermalt die Veröffentlichung mit einer offensiven Werbekampagne, die dem Album gleich eine eigene Webseite einräumt, verbunden mit der Ansage „It’s time to love an album again“. Wie mag das wohl klingen?
1980er Jahre Fusion-Jazz-Latin-Blues-Softrock
Mit „Last Train Home“ eröffnet eine fast klischeehaft-anekdotisch produzierte, dafür positiv gestimmte Nummer das Album: Wattierte 1980er-Jahre-Synth-Akkordkaskaden, darunter ein mechanisch-kühles, verhalltes Schlagzeug, abgestoppte Rhythmusgitarren, darüber verzerrte Fusion-Leadgitarren-Einwürfe – der Song erweist sich als „eingängig mit Ansage“. Einzig der deutliche Autotune-Effekt auf Mayers Stimme deutet auf die neuere Produktion hin. Die Ballade „Shouldn’t Matter but it Does“ ist mit Akustikgitarre und Besenstreicheln Folk-lastiger gehalten, dazu Pad-Sounds, Klaviertöne und teils ungerade Takte. Die Harmoniefolgen sind allerdings dermaßen vorhersehbar, dass das Stück fast schon als kitschige Songversion eines Allerweltsinnspruchs durchgeht. „New Light“ erinnert hingegen mit seiner Funk-Gitarre, dem kurzen Schlagzeug sowie Synth-Lead-Sounds an die späten Daft-Punk-Songs, im Gesang erneut mit Autotune-Effekt. Der Song ist samt seinem Kopfstimmen-Refrain eingängig – einer der Höhepunkte.
Zwischen Chris Reas Mark Knopfler-Flair und R&B-Folkpop
„Why You No Love Me“ klingt mit Akustikgitarre, E-Gitarre-Slide-Melodie, dezentem Schlagzeug und leichter Latin-Percussion wieder nach den 1980er-Jahren, irgendwo zwischen gemütlicher Highway-Fahrt in Los Angeles (falls dort ein freier Highway existiert) und Chris Reas „On the Beach“. Trotz allen Bemühen im Arrangement, den Softrock gar noch softer zu machen, bleibt das Stück eingängig. „Wild Blue“ bewegt sich in ähnlichem Fahrwasser, ebenfalls eingängig, und John Mayer channelt hier stilistisch die Mark-Knopfler-artigen, besonders cleanen Gitarren, die ihrerseits durch das sanfte Prisma von Chris Reas Band bei „Windy Town“ und „I Can Hear Your Heartbeat“ gechannelt wurden. Bei der cleanen Ballade „Shot in the Dark“ lässt der Songwriter, der mitunter zeitlos-einhüllende Texte wie etwa „Walt Grace’s Submarine Test, January 1967“ geschrieben hat, zwischen allerlei Klischeezeilen seine lyrischen Stärken aufblitzen: „And I don’t know what I’m gonna do / I’ve loved seven other women and thеy all were you“. Das langsame „I Guess I Just Feel Like“ ist mit seiner süßlichen, Lick-lastigen cleanen Gitarre wiederum eine Verneigung vor Mark Knopfler, lediglich beim Gitarrensolo bricht Mayer in die eigene Stilistik aus. „Til the Right One Comes“ ist eine angenehme R&B-Folkpop-Nummer mit Pedal-Steel-Ergänzungen. Das trockene Flair erinnert an J. J. Cale und speziell an Mayers 2012er Album „Born and Raised“. Die 1980er-Jahre-Ballade „Carry Me Away“ bleibt eher farblos, das Album schließt mit dem grundtönigen wie eingängigen „All I Want Is To Be With You“. Ob die Musik die hochgesteckten Erwartungen bezogen auf Zeitlosigkeit, die die Plattenfirma im Marketing vermittelt, zu erfüllen vermag, muss bekanntlich der individuelle Hörer und nicht zuletzt die Zeit zeigen. Einige der Stücke sind Klischees gefährlich nahe, dafür funktionieren das charmant-positive „Last Train Home“, „New Light“ oder „Wild Blue“, trotz der teils Retro-betonten Arrangements. Die Qualität von Mayers besten Songs erreicht das Material allerdings nicht.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von open.spotify.com zu laden.
Unauffälliger Klang
Sind es die Rückgriffe auf die 1980er-Jahre, die sich vielleicht auch in der Form entsprechender Produktionen widerspiegeln sollen? Mangelte Selbstironie kann man dem auf dem Cover fast bedröppelt drein guckenden Mayer kaum vorwerfen, schließlich ist der Titel „Sob Rock“ – etwa, „Schluchz-Rock“ – bereits eindeutig, in 80er-Jahre-CBS-Albumcover-Font gestaltet, vor einem Hintergrund aus Neon-Pastell-Aquamarin. In einem Wort beschrieben, klingt das Album unauffällig: Keine unangenehmen Höhen, keine überdimensionierte Kompression – allerdings auch keine dreidimensional greifbaren Instrumente, keine vollen Einzelsignale, auch kein plastisches Bassfundament. Die Gitarren-Sounds erscheinen trotzdem ausgeklügelt, die restlichen Elemente – etwa Drums – teilweise belegt. Ein positives Merkmal: Wem die Stimme John Mayers bisher zu sprunghaft-nölig erschien, dem könnte der ausgeglichenere, gelassene Gesang auf „Sob Rock“ durchaus besser gefallen.
JOHN MAYER – SOB ROCK
TESTERGEBNIS | Punkte |
Musik | 7 |
Klang | 7 |