Als „Gitarren-Wunderkind“ in den Bereichen Progressive-Rock und Blues machte Joe Bonamassa bereits früh auf sich aufmerksam: Im Alter von zwölf Jahren trat er im Vorprogramm von B. B. King auf, was den Startschuss seiner Karriere markierte. Im Jahr 2000 veröffentlichte Joe Bonamassa dann sein Debütalbum “A New Day Yesterday“ mit sechs Cover-Stücken und sechs Eigenkompositionen. Als Gäste spielten unter anderem Leslie West, Gregg Allman und Rick Derringer auf einzelnen Stücken mit. Inzwischen hat der 43-jährige 15 Soloalben aufgenommen.
Passend zum 20-jährigen Jubiläum des erfolgreichen Debüts von Joe Bonamassa wurde die Platte neu aufgelegt, und zwar unter dem Titel „A New Day Now“: Neben der ‚üblichen‘ Idee, die alten Aufnahmen in der „Anniversary Edition“ einem neuen Mastering zu unterziehen und Bonusmaterial mitzuliefern, entschied sich Joe Bonamassa zusätzlich dazu die Gesangsaufnahmen zu allen Titeln zu erneuern, dazu bei manchen Tracks neue Gitarren-Einspielungen vorzunehmen, sowie eine neue Abmischung zu beauftragen. Das mag 20 Jahre später den musikalischen Blickwinkel auf die Dinge ändern.
Auf der Neuveröffentlichung sind 15 Songs enthalten, produziert wurde der Hauptteil – wie schon vor 20 Jahren – von Tom Dowd. Die drei neuen Songs entstammen Demo-Aufnahmen von 1997, die seinerzeit von Bruce-Springsteen-Gitarrist Stevie Van Zandt produziert wurden.
Progressive-Bluesrock für Bluesmusiker und -Fans
„Cradle Rock“, ein Cover von Rory Gallagher, kombiniert Riff-geladenen Bluesrock und komplexe Schlagzeug-Rhythmik an der Schnittstelle zu Progressive Rock – das dürfte Bluesfans und -Musiker gleichermaßen interessieren. Der helle, laute Gesang von Joe Bonamassa erinnert entfernt an Gallagher, allerdings ohne dessen rauen Charakter – hier war die ursprüngliche Gesangsfassung des Albums etwas charismatischer. „Walk in My Shadow“, eine Interpretation des Free-Songs, wird als klassischer Blues-Shuffle in Trio-Besetzung dargeboten. „A New Day Yesterday“ stammt ursprünglich von Jethro Tull – Bonamassas Truppe performt das getragene Stück ‚unverstaubt‘ und technisch einwandfrei, lediglich der Gesang klingt etwas dünn und im Timbre merkwürdig nölig-belegt.
Bei der Eigenkomposition „I Know Where I Belong“ liefert Joe Bonamassa eine dynamische Mischung aus Blues und Funk, welche die bisherige Richtung aufbricht – ein Anspieltipp. „Miss You, Hate You“, eine Komposition von Joe Bonamassa und Richard Feldman, war auf dem ursprünglichen Album als „Rock Radio Remix“-Kurzfassung enthalten, die herkömmliche Variante in voller Länge war zusätzlich als Bonus-Track enthalten. In der neuen Fassung kommt gleich die ‚Vollversion‘. Der Song selbst wirkt jedoch schemenhaft, mit oft gehörten, gefälligen Akkordfolgen und einem betont auf ‚Mitsing-Charakter‘ getrimmten Refrain. Die Al-Kooper-Nummer „Nuthin‘ I Wouldn’t Do (for a Woman like You)“ setzt Joe Bonamassa nah an Progressive-Hardrock um. Die Energie steckt an, auch wenn die flinken Bassmelodien dem Arrangement manchmal die Übersichtlichkeit zu nehmen scheinen. Als Gast singt und spielt hier Rick Derringer mit.
Das eigene Rock-Stück „Colour and Shape“ erscheint harmonisch interessant, wobei das cleane Hauptriff dem Stück kaum Luft lässt. Ein erfrischendes Gegenbeispiel: Bonamassas Progressive-Blues-Eigenkomposition „Headaches to Heartbreaks“ bietet mehr Raum und ungewohnte, funktionierende Harmoniewechsel. Klar, den auch hier leicht knödeligen Gesang muss man mögen. Entspannter klingt Joe Bonamassa wiederum auf der getragenen Kenny-Neal-Bluesballade „If Heartaches Were Nickels“, die mit angecrunchter Gitarre und Hammond-Orgel einhüllt – ein weiterer Anspieltipp. Das Albert-King-Cover „Don’t Burn that Bridge“ überzeugt schließlich durch seine raue Energie mit angezerrtem Bass.
Unterwartetes „Indie-Bluesrock“-Bonusmaterial
Zusätzlich zur alten Veröffentlichung sind drei weitere Stücke enthalten: „Hey Mona“, von Joe Bonamassa und Stevie Van Zandt geschrieben, bietet Midtempo-Blues à la Jimi Hendrix, mit interessanter Songstruktur und angenehm atmosphärisch-verhaltenem Gesang. „I Want You“, ein direktes, rockendes Bob-Dylan-Cover zwischen Mod- und flottem Indie-Rock, erweist sich aufgrund des gelungenen Arrangements als ein reizvoller Höhepunkt des gesamten Albums. „Line of Denial“, wieder von Joe Bonamassa und Van Zandt, überzeugt mit seinem minimalistischen Stoner-Blues-Riff ebenfalls voll und ganz, die Eingängigkeit im Refrain ebenfalls – ein weiterer Höhepunkt. Insgesamt bieten die neuen Gesangs-Performances der restlichen Stücke nur bedingt einen Mehrwert; auf dem Original-Album wirkt das Ergebnis größtenteils energetischer und homogener.
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Joe Bonamassa liefert solides Klangbild
Die ursprüngliche Veröffentlichung des hier vorliegenden Albums von Joe Bonamassa war klanglich überschaubar, ohne dreidimensionale Einzel-Sounds, plastisch greifbares Bassfundament oder eine Mischung, die im Panorama aufgeht. Dafür bot das Original einen ‚geschlossenen‘ Mix als Einheit: Die Elemente fügten sich gut zusammen. In der neuen Fassung bleibt das Ergebnis dagegen zwiespältig und teilweise separierter: Mehr Klangfülle ist nicht vorhanden – Snare und Bassdrum klingen beispielsweise immer noch dünn, dazu nun noch belegter, was sich etwa bei der HiHat in „Cradle Rock“ bemerkbar macht.
Insgesamt entsteht der Eindruck einer späten 1980er- respektive frühen 1990er-Jahre-Ästhetik. Eine Tiefmitten-Überzeichnung der Original-Platte wurde reduziert – dafür fehlt nun Fundament. „Miss You, Hate You“ klingt etwas kräftiger, aber insgesamt fehlt dem Album Druck, Fülle und Klarheit. Die zusätzlich mitgelieferten Demo-Stücke sind offener gemischt, „I Want You“ zischt allerdings im Höhenspektrum leicht unangenehm. Wem die ursprünglichen Stücke gefallen, der dürfte mitunter am alten Mix mehr Freude haben – dafür lohnen musikalisch die drei Demo-Stücke.
JOE BONAMASSA – A NEW DAY NOW (20TH ANNIVERSARY EDITION)
TESTERGEBNIS | Punkte |
Musik | 7 |
Klang | 6 |