Iggy Pop – Free

Punk-Ikone Iggy Pop hat mit „Free“ ein neues Album veröffentlicht. Der 72-jährige, der bereits Anfang der 1970er-Jahre dürr und verlebt ausgesehen hat, verbunden mit permanenter Zur-Schau-Stellung des nackten Oberkörpers, scheint sich dahingehend – bis auf ein paar Falten mehr –  kaum gewandelt zu haben. Musikalisch hingegen wechselten sich Experimente mit soliden, aber im Songwriting oft mäßigen Alben ab. Wohin die Reise diesmal wohl bei einem derart proklamierenden Titel führt?

„Free“ beginnt mit dem Titeltrack ungewohnt: mit einem kurzen Beinahe-Instrumental, das Free-Jazz mit Trompeten (mit und ohne Dämpfer) und Synth-Landschaften verbindet, dazu der Ausruf des Sängers, er wolle frei sein. „Loves Missing“ wiederum erscheint als eingängiger Midtempo-Indie-Rock-Track, mit lakonisch-distanzierter Wehmut vorgetragen. Zum gradlinigen, knochigen Schlagzeugrhythmus und vereinzelten Gitarrenriffs gesellen sich wiederum Trompeter hinzu – eine interessante Mischung.

„Sonali“ ist elektronisch gehalten, größtenteils mit E-Drum-Ästhetik und Synthesizer-Drones, dazu flink-zischende, unruhige, leicht schranzartige Hi-Hat-Figuren. Iggy Pops stakkatoartiger skandierter Gesang wirkt kurzatmig und fließt nicht so recht im Song mit. Auch hier setzt wiederum eine Trompete ein, die nahezu beruhigend verhallt. „James Bond“ erscheint reduziert, mit minimalistischer Bassfigur, gradlinigem Disco-Rhythmus mit Vierviertel-Bassdrum-Beat, dazu sortierte Gesangsrhythmik – ein Highlight der Platte.

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„Dirty Sanchez“ wirkt harmonisch interessant, mit Mariachi- und Jazz-Trompeten, Call-and-Response-Gesang und Snare-Marschfigur. „Glow in the Dark“, ein reduziertes Jazz-Elektro-Instrumental mit Bassriff, Synths, dumpfer Trompete, Halleffekten auf dem Gesang und losem Schlagzeug, kombiniert Reiz und Irritation. „Page“ könnte mit seinem Synth-Bett, verhallten Gitarren-Parts und der mittlerweile obligatorischen Trompete eine gelungen-nachdenkliche Ballade sein, allerdings steht dem die leiernde Vibrato-Gesangs-Phrasierung wie eine ironische Brechung entgegen.

„We Are the People“ setzt auf Klavier, einen von Pop rezitierten Text (ein erst kürzlich veröffentlichtes Gedicht von Lou Reed, das 1970 entstand) und eine verhallte Trompete im Hintergrund. Die Verwendung des Texts lässt sich als politisches Statement zum aktuellen Zustand der USA interpretieren, wie auch das Booklet andeutet.  Bei „Do Not Go Gentle into that Good Night“ trägt er das Gedicht von Dylan Thomas vor, unterlegt mit Synth-Schwaden und – klar – Trompeten. Das abschließende „The Dawn“ bietet eine spannende, fast hörbuchartige Erzählung mit zurückhaltendem Musikbett, hier fesselt Iggy Pops Stimme.

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Die Mischung hingegen will nicht wirklich mit der Musik harmonieren: Beim Opener erscheinen die flächigen Klänge merkwürdig „außerphasig“ breit im Stereobild. Bei „Loves Missing“ liegt die Snare komplett links im Panorama – ein Experiment, das allerdings eher aus der Musik ‚hinauswirft‘ als zum Zuhören zu verleiten. Auch zwei schnell alternierende Trompetenläufe sind hart links und rechts im Stereobild verteilt, was irritiert. Der Gesamtsound wirkt matschig, ohne klar definierte Bässe, mit zischenden Höhen. Die Instrumente erscheinen weit weg hinter den Lautsprechern.

„Sonali“ fällt bei der erwähnten schranzartigen Hi-Hat-Figur ebenfalls durch radikales Panning auf; das passt einerseits zum schrägen Inhalt, lässt aber ein unausgegorenes Gesamtbild zurück. „James Bond“ bleibt – bis auf die gelungen nach links versetzte, leichte Offbeat-Rhythmusgitarre – vergleichsweise fast mono gehalten. Die Stimme bei „Do Not Go Gentle into that Good Night“ ist im Stereobild gedoppelt, was vermutlich bewusst befremdlich wirken soll. Bei „The Dawn“ steht Iggy Pop stimmlich im Zentrum der Mischung, erstmals mit fülligem Klang.

Am Ende hinterlässt das Album den Eindruck, dass die klanglichen und musikalischen Experimente eher um ihrer selbst willen entstanden sind und der rote Faden fehlt – von der Verwendung von Synthesizern und Trompeten einmal abgesehen. Auch die fast launenhafte Lakonie einzelner Gesangs-Performances will nicht so recht zünden. Im Songwriting war der von Josh Homme produzierte Wave-Indie-Vorgänger „Post Pop Depression“ stringenter und qualitativ spannender.

BEWERTUNG IGGY POP – FREE

TESTERGEBNIS Punkte
Musik 6
Klang 5
So testet und bewertet mobilefidelity magazin.

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