Danger Dan – Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt

Danger Dan – Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt

Danger Dan, bürgerlich Daniel Pongratz, ist einer von drei Rappern der  „Antilopen Gang“. Mit „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ hat er nun sein viertes Solo-Album veröffentlicht, dass er als „das unerwartete Danger-Dan-Klavieralbum“ bewirbt. Der Musiker wurde bereits früh musikalisch gefördert und spielte vor späterer HipHop-Begeisterung etwa als Pianist in einer Funk-Band.

Schlicht gelungenes Liedgut

Die Hinwendung zum Klavier fällt puristisch aus: Piano, Gesang, vereinzelt Streicher, gelegentlich ein Akkordeon oder Background-Gesänge seiner beiden anderen Antilopen-Gang-Kollegen. Mit „Lauf davon“ eröffnet gleich einer der stärksten Songs: Eine zeitlose Ballade, die Sinnsuche anschaulich im Text thematisiert. Lou Reed erscheint dem Sänger vor dem Absenden einer Bewerbungsmail und mahnt den Ausbruch aus dem bürgerlichen Leben an. Anschließend beschreibt Danger Dan ein Erweckungsszenario: Er taucht in Bordeaux ab und besucht schließlich ein Lou- Reed-Konzert ohne Ticket, was nicht ganz glimpflich ausging, aber zur Selbstfindung beiträgt. Laut Danger Dan seien Bordeaux und das Konzert tatsächlich passiert, wie er in der FAZ kundtat. Dabei zieht die unprätentiöse Art, wie der Musiker singt – ganz ohne Effekthascherei – atmosphärisch in den Bann, zusammen mit Streichern und Background-Gesang. Seine Phrasierung am Klavier, die poetisch-bildhaften Texte und die rhythmisch passende Betonung im Gesang bilden eine Einheit. Damit erinnert er stellenweise an Rio Reiser (wobei Danger Dans Gesang deutlich zielsicherer die Tonhöhen trifft). Hier sei auch das zugehörige Video empfohlen, das die Atmosphäre auf andere Art untermauert.

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Der nächste Höhepunkt folgt direkt: Der Titelsong „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ erinnert in Chanson-Manier als flott akzentuierte, ambivalente Pop-Ballade etwa an die Comedian Harmonists. Danger Dan spielt dabei mit der Idee, die Grenzen jener Kunstfreiheit auszuloten, indem er etwa AfD-Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland als Nationalsozialisten verortet oder den Publizisten Jürgen Elsässer als Antisemit bezeichnet. Dabei erweist sich der Text als pointiert gezeichnete Studie („Juristisch wär‘ die Grauzone erreicht / Doch vor Gericht machte ich es mir wieder leicht / Zeig mich an und ich öffne einen Sekt / Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“), gipfelnd in dem fragwürdigenden Satz: „Und wenn du friedlich gegen die Gewalt nicht ankommen kannst / Ist das letzte Mittel, das uns allen bleibt, Militanz“.

Zwischen Chanson, Kleinod und Erzählung

Die Ballade „Trotzdem“ holpert etwas mehr im Rhythmus – im Text stellt Danger Dan den Wert des individuellen Menschen dar, abseits der Idee, dass immer jemand etwas besser kann. Das Stück „Ich verprügelte die Sextouristen in Bangkok“ beschreibt die titelgebende Aktion, die der Erzähler in den Wirren der Metropole gemeinsam mit einer Frau durchführt, die aussieht wie die Schauspielerin Penélope Cruz. Die Ballade ergreift und hüllt ein, ähnlich wie „Lauf davon“. „Das schreckliche Buch“, sehr rhythmisch gehalten und zusätzlich mit Fingerschnipsen untermalt, thematisiert eine Demo von Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern 2020, samt dem Sturm der Reichstagstreppe. Musikalisch nicht uninteressant, wirkt allerdings die versetzte Betonung einzelner Wortsilben leicht anstrengend. In „Ingloria Victoria“ greift er den eigenen Bildungsweg auf, um sich am Verhalten einer ehemaligen Schule zu rächen. Danger Dan dehnt einzelne Zeilen über die Schmerzgrenze (in Richtung scheinbarer Kurzatmigkeit) aus – was angesichts der Abhandlung mancher Absurditäten gut funktioniert. Musikalisch erinnert das Ergebnis erneut an die Comedian Harmonists. „Ode an den Mord“ dekliniert verschiedene Methoden des Dahinscheidenlassens in ähnlicher aufbrausend-melancholischer Chanson-Mischung durch. „Topf und Deckel“ behandelt vordergründig gegensätzliche Menschen, die sich aber letztlich doch als Paare gut ergänzen würden – etwa die Krankenschwester, die von einem Krieg träumt, um vielen Menschen helfen zu können und der Soldat, dem ein Krieg ebenfalls willkommen wäre, da er des bloßen Übens für den Ernstfall überdrüssig ist. Das Stück erscheint gut gemacht, wirkt musikalisch hingegen mit Tempowechseln zwischen Uptempo-Teil und Ballade etwas konstruiert und zäh. Ganz anders hingegen „Eine gute Nachricht“: Ein Liebeslied an die Gegenwart, bei der Danger Dan gekonnt die Vergänglichkeit aufgreift und den Zuhörer behutsam aufbaut: Statt deprimiert auf die Flüchtigkeit der eigenen Existenz zu blicken, interpretiert er die Gegenwart als einen Zauber der Einmaligkeit. Musikalisch ist es neben „Lauf davon“ das eingängigste Stück des Albums – auch hier lohnt das passende Video einen Blick.

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„Beginne jeden Tag mit einem Lächeln“ liefert ein Krawall-Experiment: Im Refrain wird der Gesang durch eine sich überschlagende, überschwänglich brüllende Stimme im Hintergrund gedoppelt. Das mündet mit eingeworfenen Piano-Disharmonien in eine Kakophonie, die die vordergründige Feelgood-Botschaft ironisiert. Der Schlusspunkt des Albums macht kurz Spaß, der Effekt verliert sich allerdings schnell und wirkt schlicht anstrengend. Gelungenere Experimentierfreudigkeit stellt davor hingegen „Tesafilm“ dar: lakonischer Gesang, teils mit einem Ring-Modulator-Effekt grob verzerrt, oktaviert und in Hall getaucht, dazu verhalltes Piano und Streicher – das hüllt ein. Der Text belohnt allgemein die Anstrengung des Versuchens, auch wenn man im Ergebnis scheitert.

Das Danger-Dan-Album ist indes alles andere als ein Scheitern: Die Songs tragen das Album – sie stellen Danger Dan als einmalige Entdeckung deutschsprachiger Musik heraus; da erzählt einer eigenständig, ohne aufgesetzt zu erscheinen. Die Poesie vermittelt Lebenserfahrungen, auf allzu tugendhafte Belehrungen (von den „Kunstfreiheit“-Militanzfantasien abgesehen) verzichtet sie weitgehend. Stattdessen bleibt an vielen Stellen die Suche nach einer Lösung, ein Abwägen oder schlicht eine Frage. So bleiben auch verletzliche Töne fernab von kitschlastiger Befindlichkeitslyrik. In der Liedermacher-Tradition sortiert sich Danger Dan gefühlt irgendwo zwischen Randy Newman und Rio Reiser ein.

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Minimalistische, geordnete Produktion

Das Klavier ist atmosphärisch geordnet im Stereobild verteilt, mit angenehmer ästhetischer Kompression, die den Anschlag gut herausstellt. Die Stimme Danger Dans liegt scheinbar losgelöst in der Mitte, recht gut greifbar und direkt, wenig Hall – das stellt die Botschaften gut heraus. Sie klingt allerdings vergleichsweise nüchtern aufgenommen. Bei der Live-Performance im „ZDF Magazin Royale“ klang sein Gesang – über ein dynamisches Mikrofon – noch kraftvoller, energetischer, mit mehr Sättigung und Druck im Mittenbereich. Trotz der Fähigkeit, Klavier und Gesang selbstverständlich aufeinander abzustimmen, wirken die Elemente auf dem Album separiert, eher wie Overdubs statt einer gemeinsamen Performance. Auch die Streicher erscheinen trotz passendem Arrangement über Klavier und Gesang eingefügt. Das sind allerdings kleine „Randbaustellen“ – insgesamt überzeugt das Album durch guten Klang ohne Artefakte. Das deutliche Dynamikspektrum lässt den Songs Raum, sich ungezwungen zu entfalten.

DANGER DAN – DAS IST ALLES VON DER KUNSTFREIHEIT GEDECKT

TESTERGEBNIS Punkte
Musik 9
Klang 8
So testet und bewertet mobilefidelity magazin.

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