Die 1985 in Australien gegründete Pop-Band Crowded House um den heute 63-jährigen Neil Finn hat mehrere Pausen und Umbesetzungen hinter sich. Nun erschien mit „Dreamers Are Waiting“ das siebte Album der Gruppe. Als optischer „Vorbote“ ist das Cover-Artwork in den frühen 1990er Jahren angesiedelt, kurz vor impressionistischem Kitsch und verklärten Retro-Schriftzügen. Was vermag die Band, die mit „Don’t Dream It’s Over“ sowie „Weather With You“ Top-40-Klassiker geliefert hat, wohl 2021 musikalisch Neues zu bieten?
Zeitloses Songwriting unter dem Deckmantel „modernisierter“ Sixties-Ästhetik
Die ersten Takte von „Bad Times Good“ geben Entwarnung hinsichtlich der Cover-Optik: Das ruhige, komplexe Stück verknüpft mit dunklen Drums, Akustik- und E-Gitarren sowie leicht orientalisch anmutenden Streichern World Music, Folk und Pop auf gereifte Weise. Das Ergebnis klingt voll und „breitwandig“. „Playing With Fire“ greift 1960er-Jahre-Ästhetik zwischen „Pretty Woman“-Rhythmik und „Penny Lane“-Flair auf, mit angenehm schrägen Parts. Was im ersten Moment wie eine Kombination bekannter Elemente erscheint, wächst im Zuge des Songs und stellt sich als großes Songwriting heraus. Die Einflüsse von Beatles-Harmonien und -Ästhetik lassen sich auch bei „To The Island“, mit Retro-Flöten- und Synth-Sounds instrumentiert, nicht von der Hand weisen. Trotzdem ist der Song gelungen komplex und eingängig komponiert. Bei dem punktgenauen Funk-Pop von „Sweet Tooth“, das mit Wurlitzer E-Piano und kurzgedämpften Drums ebenfalls die späten 1960er Jahre und frühen 1970er Jahre triggert, erinnert Sänger Neil Finn mit hoher, fast aggressiver Stimme, die in einem Slapback-Echo „schnalzt“, mitunter an John Lennon. Das flotte „Whatever You Want“ geht mit seinem Offbeat-Bass-Groove und der unwiderstehlichen Gesangs-Hookline umgehend ins Ohr – ein Anspieltipp.
Von der Aura Englands der 1960er Jahre zum Westcoast-Folk-Flair der 1970er
Bei „Show Me The Way” verlässt die Produktion dann die Beatles-Anklänge: Die hervorragende, leise, mit Besen gespielte Ballade klingt mehr nach zeitlosem Psychedelic-Folk, mit sphärischen Gitarren-Licks zwischen David Gilmour und Mark Knopfler – ein weiterer Höhepunkt. „Goodnight Everyone“ setzt ebenfalls auf behutsame Zwischentöne, zwischen leisem Surf und Folk, mit beeindruckendem Harmoniegesang. Das Ergebnis erinnert an die Crowded-House-Musik der 1990er Jahre sowie an die sphärische Stilistik von Jonathan Wilson. Das Stück ist der beste Track des Albums. „Too Good For This World“ ist als melancholisches World-Folk-Stück angelegt, mit Percussion, Banjo- und Vibraphon-Sounds – mit dem behutsamen Refrain ebenfalls ein kleines Juwel. „Start Of Something“ greift sphärische Country- und Americana-Elemente auf, mit cleanen Gitarren-Licks à la Hank Marvin, dazu erneut tolle Harmonie-Gesänge. „Real Life Woman“ bleibt bei dezenten Molltönen, mit wunderbaren Akkordfolgen, spannenden Synthesizer-Sounds und dumpfem 1970er-Jahre-Schlagzeug. Das schnelle „Love Isn’t Hard At All“ wirkt mit seinem zappeligen, dünnen Schlagzeug zunächst wie ein Fremdkörper, wird allerdings sphärisch von verträumten Gitarren und Synths umsponnen – das verbindet Indie-Ästhetik mit modernen Retro-Produktionen wie von Beck. Das zwölfte Stück, „Deeper Down“, ist mit blubbernden Sounds und offenen Harmonien experimentell gehalten und wächst mit mehrfachem Hören. Die zweite Hälfte des Albums hat stärkeres „Evergreen-Potenzial“ – dennoch bietet „Dreamers Are Waiting“ insgesamt eine gereifte Sammlung auf hohem Songwriter-Niveau, wie es nur wenige Bands leisten. Stilistisch wurde das Rad naturgemäß nicht neu erfunden. Auch wenn immer wieder Referenzen an andere Bands durchklingen, haben Crowded House die Zwischenwelten erfrischend besiedelt, ohne reine Abgüsse von Altbekanntem zu liefern. Das Ergebnis passt zu den hervorragenden Kompositionen wie angegossen.
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Voller Klang mit leichten Spitzen
Bereits „Bad Times Good“ lotet die Klangfülle der eigenen Anlage aus, mit tiefen Bässen, sinnvoll breit ausgenutztem und gut sortiertem Panorama. Der Eindruck, verbunden mit dreidimensionalen Einzelsignalen, zieht sich durch das gesamte Album. Überdimensionierte Lautheit fällt aus. Lediglich das Höhenspektrum tendiert zu leichten Spitzen – hier hätte noch ein etwas „runderer“ Gesamtklang die Qualität der Stücke zusätzlich untermauert. Dennoch bleibt ein gut durchhörbares, qualitativ recht hochwertiges Klangerlebnis Und das leicht „angestaubte“ Artwork? Vermutlich Understatement. Ansonsten: Eine bestens gelungene Mogelpackung mit Zeitlosigkeit als Inhalt.
CROWDED HOUSE – DREAMERS ARE WAITING
TESTERGEBNIS | Punkte |
Musik | 10 |
Klang | 8 |