Christian Elsässer hat Piano und Komposition studiert – 2012 gewann er mit einem eigenen Trio einen Echo Jazz Award. Anschließend folgte zunehmend Arbeit als Arrangeur und Dirigent im Orchester-Bereich – darunter Arrangements für Kurt Elling oder Dee Dee Bridgewater. Mittlerweile leitet Elsässer ein eigenes Jazzorchester, sein neuestes Projekt, das Album „Spurensuche“, wurde allerdings zusammen mit der WDR Big Band eingespielt. Die teils experimentellen Kompositionen zwischen Swing, balladeskem Bar-Jazz und Free-Jazz-Anklängen setzen die jeweiligen Solisten der Stücke in Szene.
Dezente Stimmungsgemälde
Das titelgebende „Spurensuche“ erscheint als ein ruhiger, gleichsam ruheloser Spagat auf eben jener Suche, zwischen leise und lauter – Bläser tünchen ein musikalisches Herbstgemälde, sie bäumen sich kurz auf, tauchen dann wieder in dezenten Ausdruck ab, der zum genauen Zuhören einlädt. Das Stück hangelt sich an den Zwischentönen von Dur und Moll entlang. Der Kontrabass zupft flink fragend, das Schlagzeug tastet mit Besen um sich. Die Komposition beeindruckt, das Orchester bleibt hingegen zurückhaltend, beispielsweise beim Schlagzeug ohne die fesselnde „Rhythmussuche“, wie sie Jazz-Schlagzeuger Paul Motian betrieb, der bisweilen gar das scheinbare Nichts spannend vermitteln konnte. „Up & Down“ geht harmonisch in Richtung Free-Jazz auf, mit suchenden Klangtupfern und tonal erweiterten Soli. Das über zehn Minuten anschwellende „The French Cowboy“ bietet spannende, dunkle Piano-Harmonien, darauf dezent schwülstige Bläsermotive – das erinnert zu Beginn und gegen Ende an gelungene Film-Soundtracks, beispielsweise die „Taxi Driver“-Kompositionen von Bernhard Herrmann – ein Höhepunkt. Anschließend schwingt sich das Stück zu einer extrovertierteren Swing-Nummer auf. Lediglich die umtriebigen Soli, gespielt von Altsaxofonistin Karolina Strassmayer und Posaunist Andy Hunter, wirken stellenweise seltsam losgelöst von der Atmosphäre, allerdings bietet Strassmayer letztlich eine versöhnliche Überleitung.
Zwischen Suche und „Ankommen“
„Emilia“ bleibt während den gut elf Minuten zwischen Suchen und Ankommen: Das Stück beginnt mit minimalistischer Trommel-Percussion, monotonen, hohen Kontrabass-Noten, bevor eine langsame Piano-Elegie zusammen mit Posaunist Ludwig Nuss das Intro ablöst. Das balsamierende Stimmungsgemälde baut sich schließlich auf, landet in geschäftigem Swing, geht zurück zum minimalistisch-stoischen Beginn und der gelungenen Piano-Ballade. „Moondance“ bleibt ein fast impressionistisch zurückhaltendes Stück zwischen den Welten von Dur und Moll, mit gelegentlich kräftigeren Ausbrüchen. „The One“ wirft wie musikalisches Action-Painting mit kräftigen Swing-Akzenten um sich, samt einem Feuerwerk rhythmischer Akzentuierungen, gelungenen Percussion-Passagen und einem prägnaten Saxofon-Solo. Trotz der betont extrovertierten Spielweise bleibt die Nummer gut hörbar. Mit „Zeitlang“ schließt eine interessante Ballade die sieben Kompositionen ab – hier setzt Elsässer auf einen anschwellenden Grundton, der durch Einwürfe von Holz- und Blechbläsern umspielt wird, später geht das Stück weit auf – ein weiterer Anspieltipp. Das Ergebnis vermittelt das Gefühl von Aufbruch, verbunden mit Ungewissheit – aber auch Trost und Zuversicht. „Zeitlang“ fasst das Album mit seinen hochklassigen Kompositionen und den Wagnissen, die Elsässer dabei eingeht, gut zusammen. Überwiegend erzeugen die interessanten melodischen Passagen ausgeprägtere Spannung als die exaltierten Soli.
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Distanzierter Klang
Beim Klang ist der Zuhörer eher nüchterner Beobachter als Teilnehmer. Die Big Band erscheint ein wenig kühl und distanziert, als würde es in einem entfernten Raum spielen. Das Schlagzeug ist als Andeutung wahrnehmbar, ohne flinke Impulse oder ausgeprägten Klangkörper. Auch dem Kontrabass, dem Piano oder den Bläsern fehlen Tiefbassanteile. Das Ergebnis erscheint zwar insgesamt aus einem Guss, nimmt den Hörer allerdings nicht ganz ein; die Übertragung der natürlichen Energie der Big Band hätte die Kompositionen zusätzlich unterstrichen, sie bleibt jedoch etwas auf der Strecke. Auf wahrnehmbare Komprimierung wird verzichtet. Ohne deutliche Artefakte lässt sich das Album daher gut durchhören.
CHRISTIAN ELSÄSSER & WDR BIG BAND – SPURENSUCHE
TESTERGEBNIS | Punkte |
Musik | 8 |
Klang | 7 |