Cheap Trick – In Another World

Cheap Trick – In Another World

Die 1973 gegründete US-Hardrock-Band aus Illinois existiert fast noch in Originalbesetzung – bis auf Schlagzeuger Ben E. Carlos und einem früheren Sänger, der die Band weit vor dem Erfolg verließ. Ende der 1970er-Jahre landete sie mit „I want you to want me“ einen Evergreen-Hit. Mit „In Another World“ folgt nun das 20. Studioalbum. Was mag eine Band aus der Classic-Rock-Ära vor fünf Jahrzehnten heute bieten?

Flotter Pop-Hardrock

Das flotte „The Summer Looks Good On You” klingt gefällig, mit einem auf Mitsingcharakter getrimmten Refrain; das dürfte Fans gefallen, dem Gelegenheitshörer mag der Ohrwurm-Ansturm zu kalkuliert erscheinen. Das leicht schräge, geshuffelte „Quit Waking Me Up“ ist irgendwo zwischen einer Hardrock-Variante von Status Quo und den Beatles angesiedelt. Das geht samt teils psychedelischer Atmosphäre als moderne Hardrock-Partynummer ungezwungen ins Ohr; lediglich die synthetisch anmutenden Bläser-Sounds tünchen das Ergebnis in eine glatt-sterile 1980er-Jahre-Produktion. Die langsame Ballade „Another World“ ist nah am Klischee gebaut: Mit Leslie-Effekt auf Robin Zanders Gesang erinnert das Resultat stilistisch an Ozzy Osbournes „Dreamer“ – wenngleich Zanders kraftvoll und professionell abliefert. In einer Reprise weiter hinten auf dem Album peitscht das Stück als Speed-Hardrock-Variante durch, mit hohen Backgroundgesängen – was die augenzwinkernde Absurdität der Nummer unterstreicht. „Boys & Girls & Rock N Roll“ spiegelt hingegen typische Cheap-Trick-Nummern wider, die eingängig nach vorne stampfen, mit angenehm-disharmonischen Gitarren-Licks von Rick Nielsen – ein Höhepunkt des Albums. Auf gelungene Stücke folgen gefühlte „Fleißarbeiten“: Das Disco-Hardrock-Stück „The Party“ wirkt merkwürdig überfrachtet, auch der gradlinige Shouter-Refrain will nicht richtig aufgehen, Das behäbig geshuffelte „Final Days“ dekliniert Harmonieklischees durch, die Langsamkeit erscheint beim Hören zäh. Das weitgehend akustische „So It Goes“ erinnert mit Mellotron und reizvollen Moll-Harmoniewechseln an Beatles-Klangfarben, die gelungene Komposition macht Lust auf mehr – ein Anspieltipp, bei dem nur das gewöhnungsbedürftig verhallte Saxofon als Fremdkörper heraussticht.

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Zwischen AC/DC- und Duran-Duran-Atmosphären

Der flotte Stomper „Light Up The Fire“ vermittelt in seiner Refrain-Gradlinigkeit Anklänge an AC/DC-Nummern, in der Strophe untermalt von angenehm-ruppigen Licks von Gitarrist Nielsen. „Passing Through“, ein sphärischer Midtempo-Song, der auf dem Bluesschema basiert, bietet mit einem Mix aus Akustik- und verzerrter E-Gitarre eine Hardrock-Variante von Duran Duran, „Here’s Looking At You“ begeistert zunächst durch eine raue Strophe – um sich verzweifelt im Double-Tempo-Refrain per  Dampfhammer in die Köpfe der Hörer nageln zu wollen. „Gimme Some Truth“ schließt die 13 Stücke mit einer soliden Shuffle-Bluesrock-Nummer, samt spannenden Gitarren-Solo-Einwürfen. Das fasst das Album recht gut zusammen: Das Rad hat die Band erwartungsgemäß nicht neu erfunden, stattdessen größtenteils solides Songwriting abgeliefert, das gelegentlich Emotionen erzwingen statt auslösen will. Bemerkenswert ist dabei, wie „stabil“ die Besetzung – samt Drummer Daxx Nielson, dem Sohn des Gitarristen – das Material eingespielt hat: Abnutzungserscheinungen sind beim Rest der Band auch nach fast 50 Jahren nicht wirklich wahrzunehmen. Und beim Spiel mit den erwähnten Klischees, das die Band schon immer bewusst beherrschte, kommt zum Glück immer wieder ein deutliches Augenzwinkern durch.

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Produktion mit deutlicher Kompression und 1980er-Jahre-Ästhetik

Passend dazu ist „In Another World“ halbwegs solide produziert, ein wirklich angenehmes Klangbild bleibt allerdings aus: Das Schlagzeug klingt seltsam belegt nach einer Aufnahme in einem kleinen Raum, was durch aufgesetzt klingende Halleffekte etwas kaschiert wird, dadurch aber letztlich in einem mittigen Brei endet. Das ist symptomatisch für das Album: Die Ästhetik dümpelt unentschlossen zwischen dünnen Sounds, starker Komprimierung moderner Rock-Produktionen und verwässernd-distanzierenden 1980er-Jahre-Halleffekten. Greifbare Einzel-Sounds, die durchgängig Energie transportiert hätten, bleiben aus, stattdessen ermüdet die Kompression, zudem strengt eine leichte Betonung der Hochmitten an. Auf der „Haben-Seite“ fallen dafür die hochwertig ausgeklügelten Gitarren-Sounds von Nielsen auf, die gleichsam von dreidimensionalen Aufnahmeklängen profitiert hätten.

CHEAP TRICK – IN ANOTHER WORLD

TESTERGEBNIS Punkte
Musik 7
Klang 6
So testet und bewertet mobilefidelity magazin.

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