Das aktuelle Solo-Album von ZZ-Top-Sänger und Gitarrist Billy F. Gibbons – das lässt bereits der Titel erahnen – enthält keine bluestypische Umsetzung von Weltschmerz, sondern eher eine breitbeinige „Pass mal auf, Freundchen“-Grundhaltung.
Gibbons‘ Vorgängeralbum „Perfectamundo“, sein Solo-Debüt von 2015, setzte noch auf Latin-Rhythmen und Blues-Soli, bei „The Big Bad Blues“ geht’s dann „klassischer“ zu. Der Opener „Missin‘ Yo‘ Kissin‘“ verbindet geshuffelte, rollende Rhythmik, grundtönige Akkorde und Canned-Heat-„On The Road Again“- Flair. Dazu kommen erstklassig gespielte Bluesharp und Vocoder-/Auto-Tune-Effekte auf Gibbons‘ Gesang. Neu sind weder der minimalistische Blues noch die Auto-Tune-Linien, die Kombination biedert sich aber auch nicht dem Zeitgeist an, sondern klingt fast zeitlos, energetisch, und deutlich jünger, als die 68 Lebensjahre des texanischen Musikers vermuten ließen. „My Baby She Rocks“ verlangsamt die Rhythmen wie einen Schwertransport, der gemächlich, aber dennoch kraftvoll vorwärts schiebt. Gibbons lässt den Auto-Tune-Effekt über weite Strecken eingeschaltet. Beim Gitarrenspiel verzichtet er – wie immer – nichtssagende Soli, setzt stattdessen auf reduziertes, gut hörbares Melodiespiel, um Solo-Leerstellen zu befüllen.
Bei einigen Songs darf der Auto-Tune-Effekt dann fehlen. Ein Highlight: Das behäbige, raue „Standing Around Crying“, mit angezerrtem Gesang, wieder mit Bluesschema und Bluesharp. Der Song ist so langsam, dass man gewissermaßen gezwungen wird, genau hinzuhören. Und das lohnt sich: Die textliche Geschichte einer düsteren Anziehung wird bildlich vermittelt und gelegentlich mit klanglich dichten Slide-Einwürfen untermalt.
„Mo‘ Slower Blues“ wird seinem Namen ebenfalls gerecht, mit Klavier-Einwürfen und hervorragend klingen Fuzz-Gitarren. Beim Muddy-Waters-Cover „Rollin‘ And Tumblin‘“ zieht die Geschwindigkeit an, die melodische Gitarre klingt mitunter nach Saxofon. Der letzte der elf Songs, „Crackin‘ Up“, wirkt wie ein hörenswerter Fremdkörper in Richtung des „Perfectamundo“-Vorgängers, mit Latin- und Reggae-Anleihen.
Und insgesamt? Die Neuerfindung des Blues hatte Gibbons erwartungsgemäß nicht vorgesehen, stattdessen hört man ihm Spaß beim Performen an – die geordneten Arrangements bieten ein weitgehend „aufgeräumtes“ Bild.
Billy Gibbons gilt in der Gitarristen-Szene als einer, der sich intelligent auf Klangsuche begibt und das Niveau beständig verbessert. Das setzt sich leider beim Gesamt-Sound eher weniger fort: Die Platte ist stark komprimiert und sehr laut – zugegeben, das passt zu einem Album, dass sich „The Big Bad Blues“ nennt. Die Form will schließlich zum Inhalt passen. Immerhin: Abseits des gleichbleibenden „Föns“, der einem da aus den Boxen entgegendrängt, bleibt zumindest die Hälfte der Songs ohne unschöne Frequenzüberhöhungen, sodass sie leise gut hörbar sind. Bei der anderen Hälfte wird der Höhenbereich überbetont, mit merkwürdig breitem Stereobild. Falls das ein Trost ist: Der Vorgänger war mindestens ebenso komprimiert und laut, allerdings durchweg spitzer und geschäftiger gemischt.
BEWERTUNG BILLY F. GIBBONS _ THE BIG BAD BLUES
TESTERGEBNIS | Punkte |
Musik | 7 |
Klang | 5 |