Seit 2015 veröffentlicht der 71-jährige ZZ-Top Frontmann Billy F Gibbons (Das „F“ steht übrigens für Frederick) auch Solo-Alben, mit „Hardware“ folgt das dritte. Passend zum aufgemotzten Hot-Rod-Gedanken (der die Band optisch spätestens seit dem Video zu „Gimme all Your Lovin‘“ aus den 1980er-Jahren begleitet), ist ein gezeichneter Hot Rod auf dem Cover abgebildet. Die Suche nach dem „Aufbohren“ des Vorhandenen hat Gibbons schließlich seit jeher gereizt – sei es im Outfit samt dem ikonischen Bart oder im Sound, in Gitarrenkreisen gilt er als getriebener Tüftler auf der Suche nach dem gewünschten Klang. Aufgenommen wurde das Album in den Escape Studios, untergebracht in der kalifornischen Wüste im Joshua-Tree-Nationalpark. Das Album produzierte Gibbons zusammen mit Schlagzeuger Matt Sorum, Gitarrist Mike Fiorentino und Toningenieur Chad Shlosser während des Lockdown – dem Vernehmen nach als Ventil. Wie schon beim 2018er Vorgänger, dem eher mäßig interessanten „The Big Bad Blues“, war ebenfalls wieder Gitarrist Austin Hanks mit dabei.
Heftiger Bluesrock
Mit „My Lucky Card“ eröffnet ein gewaltig böse stampfender Blues-Rocker – fast eher Blues-Metal – mit einem gelungenen Gitarrenriff und interessanten Akkordwendungen das Album. Die Ästhetik pendelt zwischen knalligen Drum-Sounds à la Led Zeppelin, Gesang in Richtung Tom Cochrane („Life Is A Highway“) und das Gitarrenriff wie eine Schwerlast-Variante von Lenny Kravitz‘ „Are You Gonna Go My Way“ – ein Anspieltipp. „She’s On Fire“ ist ein flinker gradliniger Rocker mit rauchigem Gesang. Das macht Spaß, bleibt aber nicht im Gedächtnis hängen. „More-More-More“ erscheint wieder „tiefergelegt“, mit typischem ZZ-Top-Shuffle und angezerrt-dunklem Effektgesang. Der Refrain geht ins Ohr – das macht Lust auf mehr. „Shuffle, Step & Slide“ ist hingegen wieder traditioneller Bluesrock mit kleinen Harmonie-Abwechslungen im Refrain.
Zwischen Wüstenstaub und Highway
Bei der Ballade „Vagabond Man“ sind zwar die Harmoniefolgen oft genutzt, aber atmosphärisch überzeugt die Nummer samt dem vollen, präsenten Gesang, geordneten Drum-Sounds, leichter Hammond-Orgel. Das liegt irgendwo zwischen einer rastlosen Prärienacht und einer Bar in den frühen Morgenstunden. „Spanish Fly“ ist als moderne R&B-Blues-Nummer mit Loop-Ästhetik und tiefen Synth-Bass-Sounds, dazu Theremin-artigen Klänge umgesetzt. Das klingt nach trockenem Wüstenstaub und lässt Raum. „West Coast Junkie“ ein Bluesrocker mit Mollrefrain und Cowboy-Surf-Gitarren – das macht Laune. „I Was A Highway“ erinnert atmosphärisch nochmal an eine Mischung aus Tom Cochrane, im Mittelpunkt steht eine Metapher für das Verlassenwerden („You’d think I was a Highway / the way she hit the Road / Thought she’s going my way, then Tires turned to Smoke“). Das Material hat Gibbons übrigens zusammen mit seinen Koproduzenten geschrieben, mit „Hey Baby, Que Paso“ ist indes auch ein Cover enthalten; eine gutgelaunte Tex-Mex-Party samt Keyboard-Hook, im Original von den „Texas Tornados“. Das langsame, von einer Erzählung getragene „Desert High“ schließt die zwölf Songs. Die gesprochenen Parts erscheinen dabei teils gewollt, dafür überzeugen die Melodie-Parts umso mehr.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von open.spotify.com zu laden.
Präsenter Klang
Klanglich erscheint „Hardware“ zweischneidig: Zwar werden die einzelnen Elemente – Drums, Gitarren, Gesang – recht plastisch abgebildet, allerdings ist der Sound stark komprimiert: Artefakte zischen im Höhenbereich (besonders unangenehm etwa bei „Stackin‘ Bones“), die Räumlichkeit „matscht“, auch wirkt das Schlagzeug unnötig stark mit Effekten bearbeitet (beispielsweise die sehr kurz bedämpften Sounds in „Vagabond Man“). Auch Gibbons Rauheit im Gesang wird mit Zerre noch betont – stellenweise wirkt die Performance etwas aufgesetzt. Hier wäre vermutlich weniger mehr gewesen, um das Potenzial der größtenteils interessanten Songs zu unterstreichen. Trotzdem lässt sich das gut hören – rein musikalisch liefert Billy Gibbons, von manchem ungelenken „Rollenspiel“ im Gesang abgesehen, sein bislang bestes Solo-Album ab. Und was die „Hardware“ angeht, überzeugen die Gitarren-Sounds wie gewohnt.
BILLY F GIBBONS – HARDWARE
TESTERGEBNIS | Punkte |
Musik | 7 |
Klang | 7 |