Ben Howard – Noonday Dream

Ben Howard entfernt sich weiter vom Nachhall der Hitsingles seines Debütalbums „Every Kingdom“, um sich auf „Noonday Dream“ selbst in schwelgerisch-atmosphärischen Tagträumen wiederzufinden.

„Only Love“ und „Keep Your Head Up“ waren die Songs, an denen auch außerhalb der Indie-Disco im Jahr 2011 kaum jemand vorbeikam – die Radiohits aus der Feder von Ben Howard fielen zeitlich günstig in die Blütezeit von Folk-Bands wie Mumford and Sons und fanden so ein dankbares Publikum. Allerdings waren dies poppige Ausbrecher auf einem generell eher melancholisch angehauchten Album. Als Howard 2014 mit „I Forget where we were“ zurückkehrte, war die Mission klar: Weg von der Singer-Songwriter-Hitmaschine hin zum atmosphärischen Storytelling. Auch nach der erneuten langen Pause zwischen den Alben – für „Noonday Dream“ ließ sich Howard vier Jahre Zeit – schreitet er auf diesem Weg weiter in noch etwas ruhigere Gefilde. Entschleunigung wurde zum großen Thema, sowohl musikalisch als auch bei der Produktion, die Multiinstrumentalist Howard größtenteils in Eigenregie übernahm.

Eine gezupfte Akustikgitarre, die sich zwischen zaghaften E-Gitarren- und elektronischen Klangfetzen durchsetzt, eröffnet das Album. Der Gesang von „Nica Libre at Dusk“ beginnt tief, durch einen Vocoder leicht verfremdet und lakonisch, erst der Refrain wird etwas schwelgerischer. Der Song wirkt als Türschwelle hinein in die namensgebenden liedgewordenen Tagträume, die auf dem Album zusammenstellt wurden – nach dem Opener wird es immer weniger Songlastig, experimenteller und instrumentaler. Mal streift er dabei den Shoegaze-Folk von The War on Drugs („What the Moon Does“), mal erinnert er gerade stimmlich an das Solo-Werk von Junips José Gonzales. Besonderes Highlight ist das Sieben-Minuten-Stück „A Boat to an Island on the Wall“, das den Hörer mit poetisch-geheimnisvollem Text und abwechslungsreicher Komposition fesselt. Das Album ist durchzogen von atmosphärischen Flächen, Field Recordings und unterschiedlichen Instrumenten, die keine tragende Rolle für den Melodien spielen, dafür aber träumerische Stimmungen erzeugen, etwa Cello, Tin Whistles und ein Harmonium.

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„Noonday Dream“ ist ein klassisches Studioalbum, auf dem Howard Schichten über Schichten liebevoll aufeinander stapelt. Howards Stimme steht meist im Vordergrund und ist sehr sauber aufgenommen – der Mut zur Imperfektion, jedes sonore Schnarren bei den tiefen Tönen und jede Brüchigkeit ungeschönt zu zeigen, zahlt sich aus, denn so entsteht ein sehr intimes Hörgefühl. Fast jeder Song mündet in einer Wall of Sound, die mächtig, aber nicht undurchdringlich ist – sie lässt genug Raum, um die einzelnen Bestandteile noch herauszuhören und immer Neues zu entdecken. Howard spielt mit Hall und räumlichen Effekten, schickt Klänge umher, setzt Akzente, in dem er einzelne sehr trockene Passagen zwischen den verhallten Parts einbaut. Ungewohnt ist, dass das Schlagzeug meistens eher im Hintergrund gehalten ist – passend zur Entschleunigung wird der Taktgeber aus dem Fokus gehalten.

Mit „Noonday Dream“ hat Ben Howard eine raffinierte Klanggeschichte geschaffen, die vor allem auf guten Kopfhörern zum Genuss wird. Wer Hits sucht, wird enttäuscht sein – wer sich auf neues einlassen kann, kommt voll auf seine Kosten.

BEWERTUNG BEN HOWARD – NOONDAY DREAM

TESTERGEBNIS Punkte
Musik 8
Klang 8
So testet und bewertet mobilefidelity magazin.

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